Arbeitsrecht

Betriebsverfassungsrecht, Betriebsrat

Das Betriebsverfassungsrecht regelt die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Betrieben. Die wesentlichen Vorschriften sind im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu finden. Sind die Voraussetzungen des Betriebsverfassungsgesetzes erfüllt, können sich die Arbeitnehmer entscheiden, einen Betriebsrat zu bilden. Erforderlich ist, dass es in einem Betrieb mehr als fünf Mitarbeiter gibt, die wahlberechtigt sind und von denen mindestens drei Mitarbeiter wählbar sind.

I. Betriebsrat und seine Aufgaben

Betriebsräte stellen eine Eigenheit des deutschen Arbeitsrechts dar. Ein Betriebsrat ist die Interessenvertretung der Arbeitnehmer, der auf der betrieblichen Ebene umfangreiche Mitbestimmungsrechte zukommt. Insbesondere bei personellen Einzelmaßnahmen wie z.B. Kündigungen oder bei sozialen Angelegenheiten des gesamten Betriebs. Ab einer Unternehmensgröße von 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Betriebsrat zudem Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte bei Betriebsänderungen. Ab einer Größe von 100 Mitarbeitern ist auch ein Wirtschaftsausschuss zu bilden, der in wirtschaftlichen Angelegenheiten mitwirkt.

Mit der Gründung und Errichtung eines Betriebsrats geht eine erhebliche Kostenbelastung des Arbeitgebers einher. Einerseits müssen die Kosten für die Wahl des Betriebsrats vom Arbeitgeber getragen werden. Anderseits müssen auch die Kosten der Betriebsratsarbeit vom Arbeitgeber getragen werden.

Abhängig von der Größe des Betriebs und der anfallenden Betriebsratsarbeit kann es dazu kommen, dass Betriebsräte von ihrer Arbeitspflicht freigestellt werden müssen. Die Freistellung erfolgt unter Fortzahlung der Vergütung und in der Form, als hätte der Betriebsrat oder die Betriebsrätin in dieser Zeit gearbeitet .

Die Errichtung eines Betriebsrats kann dem Arbeitgeber auch Vorteile bieten. Durch Betriebsvereinbarungen können beispielsweise für den gesamten Betrieb relevante Sachverhalte vereinheitlicht werden oder sogar arbeitsvertragliche Regelungen über eine konkludente Betriebsvereinbarungsoffenheit modifiziert werden.

II. Der Betrieb

Das Betriebsverfassungsrecht gilt in der Bundesrepublik Deutschland (sog. Territorialitätsprinzip). Das heißt, das Betriebsverfassungsrecht findet auf alle inländischen Betriebe Anwendung, also auch auf Niederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland. Das ist auch vollkommen unabhängig von der Nationalität der Arbeitnehmer.

Zudem muss es sich um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit handeln. Es bedarf also eines Betriebs:

1. Grundlagen

Die Definition des Betriebsbegriffs legt die betriebsratsfähige Organisationseinheit fest, innerhalb derer der Betriebsrat gewählt werden und wirken kann. Die erste grundlegende Unterscheidung ist zwischen dem Betrieb und dem Unternehmen vorzunehmen. Der Betriebsbegriff wird nicht im Gesetz definiert. Eingebürgert hat sich eine Definition, die Betriebe als „die tatsächliche organisatorische Einheit innerhalb derer ein Arbeitgeber einzeln oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt“ definiert. Der Betrieb ist also das körperlich bestehende Element, also etwas „zum Anfassen“.

Für das Betriebsverfassungsrecht seltener von Bedeutung ist das Unternehmen, also der Rechtsträger des Betriebs. Es handelt sich dabei häufig um ein Einzelunternehmen, eine Personengesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft.

Für die Annahme eines Betriebs ist von wesentlicher Bedeutung, dass eine einheitliche Organisation besteht, die von einem einheitlichen Leitungsapparat ausgeführt wird. Hat ein Unternehmen mehrere Standorte handelt es sich bei dem Unternehmen um einen Betrieb, wenn die Unternehmensleitung selbst eine oder auch mehrere Produktionsstätten in arbeitstechnischer Hinsicht leitet. Wird die arbeitstechnische Leitung der Betriebe jeweils in der Produktionsstätte ausgeübt handelt es sich um mehrere Betriebe (BAG, Beschl. v. 23.09.1982, Az.: 6 ABR 42/81).

Ohne Bedeutung ist die räumliche Nähe der Standorte. So hat das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit bereits angenommen, dass die Kasseler Verwaltung eines Lebensmittelunternehmens mit ihrer Filiale in Göttingen einen Betrieb bildet (BAG, Beschl. v. 24.02.1976, Az.: 1 ABR  62/75). Es kommt also entscheidend auf die organisatorische Selbstständigkeit der Betriebsstandorte an.

Besonders schwierig kann in diesem Zusammenhang die Zuordnung von Mitarbeitern sein, welche keinem Standort klar angehören. Dies kann beispielsweise bei Tätigkeiten vorliegen, die ihrer Art nach nicht standortbezogen sind. Bei Mitarbeitern im Außendienst oder solchen, die an mehreren Standorten arbeiten, ist eine Zuordnung teilweise schwierig und muss anhand einer Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden.

2. Gemeinsame Betriebe

Da Bezugspunkt nicht das Unternehmen als Rechtsträger, sondern der Betrieb ist, können auch mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb, auch Gemeinschaftsbetrieb genannt, haben. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG.

Erforderlich für die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs ist nach ständiger Rechtsprechung ein einheitlicher Leitungsapparat hinsichtlich personeller und sachlicher Angelegenheiten und eine zumindest stillschweigende Vereinbarung über die gemeinsame Führung des Betriebs (BAG, Beschl. v. 23.11.2016, Az.: 7 ABR 3/15).

Gemeinschaftsbetriebe können z.B. im Anschluss an eine Unternehmensspaltung oder bei Arbeitsgemeinschaften im Baugewerbe vorliegen.

Liegt ein gemeinsamer Betrieb vor, bilden die Arbeitnehmer der beteiligten Unternehmen einen Betriebsrat im gemeinsamen Betrieb. Hinsichtlich der sozialen Mitbestimmungsrechte sind alle Unternehmen zu beteiligen. Die allgemeinen Kosten der Betriebsratstätigkeit tragen die beteiligten Unternehmen als Gesamtschuldner, während die Kosten des einzelnen Betriebsrats jeweils von dessen Arbeitgeber getragen werden.

3. Tendenzbetriebe und Ausnahmen

Auf sogenannte Tendenzbetriebe sind nach § 118 Abs. 1 BetrVG die Regelungen des Betriebsverfassungsrechts nur eingeschränkt anwendbar. Tendenzbetriebe sind solche Betriebe, die unmittelbar oder überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen. Wenn die freiheitliche Betätigung in diesen Gebieten den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats entgegenstehen, treten diese zurück. Eine Einschränkung erfolgt jeweils nur, wenn die Mitbestimmung einen Tendenzbezug aufweist. Die wirtschaftliche Mitbestimmung ist gänzlich ausgenommen, Mitbestimmungsrechte bei Betriebsänderungen auf den Ausgleich und die Minderung wirtschaftlicher Nachteile für die Arbeitgeber beschränkt. Auf dem Gebiet der personellen und sozialen Mitbestimmung treten die Rechte nicht zurück, wenn die Mitbestimmungsrechte nur den wertneutralen Betriebsablauf tangieren.

Beispiele für Tendenzunternehmen sind politische Parteien und die politischen Stiftungen, Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen, Vereine zur Missionsförderung, die Betriebe des Roten Kreuzes, Privatschulen, Private Hochschulen und Universitäten sowie Theater und Verlagsunternehmen.

Gänzlich vom Betriebsverfassungsrecht ausgenommen sind Religionsgemeinschaften und ihre erzieherischen und karitativen Einrichtungen sowie der öffentliche Dienst.

 

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