Arbeitsrecht

Kündigungsgründe

Sofern das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, ist für die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung das Vorliegen eines „an sich geeigneten“ Kündigungsgrundes erforderlich. Das Kündigungsschutzgesetz zählt in § 1 Abs. 2 KSchG abschließend drei Kündigungsgründe auf:

I. Verhaltensbedingte Kündigung

Die verhaltensbedingte Kündigung knüpft an einen vorwerfbaren Verstoß des Arbeitnehmers gegen Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis an. Die Feststellung, ob ein solcher Verstoß vorliegt, setzt also stets voraus, dass zunächst die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten des Arbeitnehmers näher bestimmt werden.  

Beispiel: Der Arbeitgeber ordnet Überstunden an, deren Erbringung vom Arbeitnehmer verweigert wird. Ein Verstoß gegen seine Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber zur Anordnung der Überstunden im konkreten Umfang berechtigt war.

Neben dem Verstoß gegen Hauptleistungspflichten, kann die verhaltensbedingte Kündigung auch einen Verstoß gegen Nebenpflichten des Arbeitnehmers anknüpfen.

Beispiel: Der Arbeitnehmer gibt vertrauliche Dokumente weiter an die Presse, die hieraus einen Artikel macht, der dem Ruf des Arbeitgebers schadet. Der Arbeitnehmer erbringt zwar seine Hauptleistungspflicht, verstößt jedoch gegen seine (Neben-)Pflicht, nämlich auf die Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.

Kann ein Verstoß des Arbeitnehmers festgestellt werden, so muss ihm dieser vorwerfbar sein. Kann der Vertragsverstoß bewiesen werden, so wird die Vorwerfbarkeit grundsätzlich vermutet. Es ist dann die Sache des Arbeitnehmers rechtfertigende oder entschuldigende Umstände vorzutragen, die eine Vorwerfbarkeit ausschließen. Das Merkmal der Vorwerfbarkeit dient zugleich der Abgrenzung zur personenbedingen Kündigung.

Beispiel: Der Arbeitnehmer erscheint krankheitsbedingt nicht zur Arbeit. Hierdurch kommt er zunächst seiner Hauptleistungspflicht nicht nach (vom Arbeitgeber zu beweisen). Es ist nun am Arbeitnehmer nachzuweisen, dass ihm dies nicht vorzuwerfen ist, in dem er eine Krankmeldung einreicht.

II. Personenbedingte Kündigung

Während die verhaltensbedingte Kündigung daran anknüpft, dass der Arbeitnehmer in vorwerfbarer Weise seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat, knüpft die personenbedingte Kündigung gerade nicht an ein vorwerfbares Verhalten, sondern an einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund an. Als Kündigungsgrund in der Person des Arbeitnehmers kommen Umstände in Betracht, die auf einer in dessen persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften liegenden „Störquelle“ beruhen (vgl. BAG, Urteil v. 23.05.2013 – Az.: 2 AZR 120/12).

Beispiel: Dem als Kurierfahrer eingestellten Arbeitnehmer wird seine Fahrerlaubnis dauerhaft entzogen (objektiver Eignungsmangel).

Der wichtigste Fall der personenbedingten Kündigung ist allerdings die krankheitsbedingte Kündigung. Hierbei ist die Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen von der Kündigung wegen einer anhaltenden Langzeiterkrankung zu unterscheiden.

1. Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankung

Für Arbeitgeber von besonderer wirtschaftlicher Belastung sind Arbeitnehmer, die häufig für kurze Zeit erkranken. Denn bei jeder neuen Erkrankung ist der Arbeitgeber wieder bis zu einer Dauer von sechs Wochen zur Entgeltfortzahlung verpflichtet (§ 3 Abs. 1 EFZG). Unter bestimmten Voraussetzungen kann daher eine (personenbedingte) Kündigung von häufig erkrankenden Arbeitnehmern erfolgen. Die Voraussetzungen orientieren sich wiederum an den für alle Kündigungen geltenden Grundsätzen, werden jedoch im Hinblick auf die besondere Konstellation konkretisiert.

Hiernach ist zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Zur Annahme einer solchen müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang indizieren. In der Regel muss auf einen Zeitraum von drei Jahren zurückgeblickt werden, wobei der zu berücksichtigende Zeitraum im Einzelfall auch kürzer ausfallen kann. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen. Wie hoch die Krankenquote für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung in diesem Zeitraum gewesen sein muss, ist gerichtlich nicht starr festgesetzt. Festgehalten werden kann, dass Fehlzeiten innerhalb eines Jahres, die sechs Wochen nicht übersteigen, jedenfalls nicht ausreichen, um eine negative Gesundheitsprognose zu begründen. Kann der Arbeitgeber darüberhinausgehende Fehlzeiten darlegen, so kommt ihm in einem möglichen Kündigungsschutzprozess die abgestufte Darlegungs- und Beweislast zugute, sodass sich bereits aus der Existenz der Fehlzeiten die Vermutung ergibt, dass der Arbeitnehmer auch zukünftig in diesem Umfang fehlen wird. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers diese Indizwirkung zu widerlegen. Dies kann er etwa durch die Darlegung, dass die Krankheiten auf singulären Ereignissen (z.B. Unfällen) beruhten und daher keine Aussage für die Zukunft zulassen, tun.

Das Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose an sich genügt jedoch nicht allein, um eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Hinzukommen muss eine hieraus resultierende wesentliche Beeinträchtigung. Wesentliche Beeinträchtigungen können sich zum einen daraus ergeben, dass die Betriebsabläufe durch die häufige Erkrankung wesentlich gestört werden und zum anderen aus den Kosten (insb. Entgeltfortzahlungskosten), die durch Erkrankungen des Arbeitnehmers versursacht werden. Wiederum genügen Entgeltfortzahlungskosten für die Dauer von sechs Wochen nicht, um eine wesentliche Beeinträchtigung zu begründen.

Außerdem muss der Arbeitgeber als milderes Mittel zur Kündigung in der Regel zunächst ein betriebliches Eingliederungsmanagement, also ein sogenannten bEm durchführen bzw. anbieten. Innerhalb der Interessenabwägung sind als wichtige Faktoren dann vor allem die Intensität der Beeinträchtigung, die ggf. zuvor bestandene Dauer eines ungestörten Arbeitsverhältnisses und die Krankheitsursache zu berücksichtigen.

2. Kündigung wegen Langzeiterkrankung

Auch bei der Kündigung wegen Langzeiterkrankung bedarf es zunächst einer negativen Gesundheitsprognose. Hierzu müssen objektive Tatsachen feststehen, die die Besorgnis einer weiter anhaltenden Erkrankung rechtfertigen. Eine negative Prognose liegt jedenfalls immer dann vor, wenn es sich um eine dauerhafte Erkrankung handelt, die zur dauerhaften Leistungsunfähigkeit führt.

Beispiel: Verliert der als Taxifahrer eingestellte Arbeitnehmer bei einem Unfall sein Augenlicht, so liegt eine dauerhafte Erkrankung vor, aufgrund derer er dauerhaft leistungsunfähig ist.

Beispiel: Der verletzte Arbeitnehmer wird voraussichtlich nach einer fast zwei Jahre anhaltenden Reha wieder leistungsfähig sein.

Eine negative Prognose besteht darüber hinaus auch dann, wenn die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit völlig ungewiss ist. Das wurde im Einzelfall angenommen, wenn nicht innerhalb der nächsten 24 Monate mit einer positiven Gesundheitsentwicklung gerechnet werden kann (BAG, Urt. vom 29.04.1999 – Az.: 2 AZR 431/98). Lässt sich die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit hingegen zeitlich voraussagen, so ist fraglich, ab welchem Zeitraum dennoch von einer negativen Prognose ausgegangen werden kann.

Im Einzelfall ging das BAG bei einer anhaltenden Erkrankung von knapp acht Monaten von einer Langzeiterkrankung aus (BAG, Urteil vom 29.04.1999 – Az.: 2 AZR 431/98). Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine starre zeitliche Grenze, sondern ausschließlich um einen Anhaltspunkt. Wie schon bei der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen müssen auch im Fall der Langzeiterkrankung sodann die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigt, mildere Mittel genutzt und eine Interessenabwägung durchgeführt werden.

III. Betriebsbedingte Kündigung

Die betriebsbedingte Kündigung knüpft – anders als die verhaltensbedingte und personenbedingte Kündigung – nicht an das Verhalten oder die Eigenschaft eines einzelnen Arbeitnehmers an, sondern an den betrieblichen Bedarf an Arbeitsleistung. Neben den für jede Kündigung geltenden Grundsätzen gelten für die betriebsbedingte Kündigung weitere Voraussetzungen, wobei regelmäßig die Sozialauswahl von großer Bedeutung ist.

1. Freie unternehmerische Entscheidung und Wegfall des Beschäftigungsbedarfs

Zunächst muss der Arbeitgeber eine unternehmerische Entscheidung treffen (strategische Neuausrichtung, Rationalisierung, Betriebsstilllegung etc.), die zum Wegfall von Beschäftigungsbedarf führt. Der Arbeitgeber ist hierbei in seiner unternehmerischen Entscheidung grundsätzlich frei. Er muss nicht darlegen (können), dass die Entscheidung wirtschaftlich geboten ist. Vor Gericht erfolgt eine bloße Missbrauchskontrolle. Gerichtlich hingegen voll überprüfbar und vom Arbeitgeber zu beweisen (§ 1 Abs. 2 S. 4 KSchG) ist, dass die Entscheidung dauerhaft zum Wegfall bzw. zur Reduzierung des Beschäftigungsbedarfes führt. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber einen rechnerischen Überhang an Arbeitsplätzen nachweisen kann. Welche Arbeitsplätze genau wegfallen ist dann eine Frage der Sozialauswahl (s.u.).

2. Ultima ratio-Prinzip

Auch die betriebsbedingte Kündigung unterliegt dem ultima ratio-Prinzip, das insbesondere in dem Erfordernis der Dringlichkeit zum Ausdruck kommt. Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber dem rechnerischen Überhang von Arbeitsplätzen nicht mit einem milderen Mittel als der Kündigung begegnen kann. Als mildere Mittel kommen insbesondere der Abbau von Überstunden, die Einführung von Kurzarbeit oder der Abbau von Leiharbeit in Betracht. Außerdem darf keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens bestehen. Eine solche muss ggf. auch dann in Betracht gezogen werden, wenn hierfür eine Umschulung oder geänderte Vertragsbedingungen erforderlich sind.

3. Sozialauswahl

Da die betriebsbedingte Kündigung nicht an einzelne Arbeitnehmer anknüpft, ist eine Auswahl unter den zu kündigenden Arbeitnehmern erforderlich. Diese erfolgt in einem Drei-Schritt.

a) Vergleichsgruppe

Zunächst werden alle Arbeitnehmer ermittelt, zwischen denen die Auswahl zu erfolgen hat (sog. Vergleichsgruppe). Teil der Vergleichsgruppe sind alle Arbeitnehmer, die Teil des Betriebes sind (sog. Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl) und miteinander auf horizontaler Ebene austauschbar sind. Eine Austauschbarkeit liegt vor, wenn die Arbeitnehmer sowohl in qualitativer Hinsicht (Kenntnisse und Fähigkeiten) als auch in arbeitsvertraglicher Hinsicht vergleichbar sind. Kann der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht einseitig auf den in Frage stehenden Arbeitsplatz versetzen, so fehlt es beispielsweise an der arbeitsvertraglichen Austauschbarkeit.

b) Herausnahme von Leistungsträgern

Gem. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG ist der Arbeitgeber dazu berechtigt, aus der Vergleichsgruppe Arbeitnehmer wieder herauszunehmen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Betrieb sich nicht von sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmern trennen muss, deren Know-How aber von großer Bedeutung für das Unternehmen ist.

c) Auswahlentscheidung

Im dritten Schritt muss der Arbeitgeber zwischen den sich noch in der Vergleichsgruppe befindlichen Arbeitnehmern eine Auswahl treffen. Diese Auswahl erfolgt zwingend anhand der abschließend in § 1 Abs. 3 KSchG aufgelisteten Kriterien:

  • Dauer der Betriebs- bzw. Unternehmenszugehörigkeit
  • Lebensalter
  • Unterhaltspflichten
  • Schwerbehinderung

Der Arbeitgeber kann anhand dieser vier Kriterien Punkteschemata erstellen, mit dessen Hilfe er die Arbeitnehmer in Bezug auf ihre soziale Schutzbedürftigkeit sortiert. Die erstellten Punkteschemata müssen die o.g. Kriterien gem. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG „ausreichend“ berücksichtigen. Dem Arbeitgeber steht also ein gewisser Bewertungs- und Gewichtungsspielraum zu, der ihm die Möglichkeit einer gewissen Beeinflussung des Ausgangs der Sozialauswahl gibt. Von dieser Möglichkeit sollten Arbeitgeber jedoch nur maßvoll Gebrauch machen, da die erstellten Punktesysteme gerichtlich auf die ausreichende Berücksichtigung jedes Kriteriums überprüfbar sind. Führt das vom Arbeitgeber gewählte System dazu, dass deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer gekündigt werden, so können sich diese vor Gericht erfolgreich gegen die Kündigung wehren. Arbeitnehmer, die hingegen bei jedem möglichen Punktesystem gekündigt worden wären, können sich dagegen nicht erfolgreich gegen die Kündigung wehren, da der Fehler für die Kündigung nicht kausal geworden ist (BAG, Urteil vom 05.11.2009 – Az.: 2 AZR 676/08).

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