Die Befristung von Arbeitsverhältnissen ist ein zentrales Instrument der Personalplanung und spielt in der betrieblichen Praxis eine erhebliche Rolle. Für Arbeitgeber bieten befristete Arbeitsverträge vor allem Flexibilität und die Möglichkeit, auf schwankende Auftragslagen oder vorübergehenden Personalbedarf zu reagieren, ohne die oft aufwendigen und kostenintensiven Hürden einer betriebsbedingten Kündigung nehmen zu müssen. Das Arbeitsverhältnis endet in der Regel automatisch mit Ablauf der vereinbarten Zeit oder Erreichen des Zwecks (§ 15 Abs. 1 TzBfG). Gleichzeitig ist zu beachten, dass während der Laufzeit einer Befristung eine ordentliche Kündigung grundsätzlich ausgeschlossen ist, es sei denn, diese Möglichkeit wurde ausdrücklich einzelvertraglich oder in einem anwendbaren Tarifvertrag vereinbart (§ 15 Abs. 4 TzBfG).
Für Arbeitnehmer bedeuten Befristungen oft Unsicherheit und eine eingeschränkte Planbarkeit. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) setzt der Vertragsfreiheit aus sozialstaatlichen Gründen daher Grenzen und knüpft die Zulässigkeit von Befristungen an bestimmte Voraussetzungen. Fehler bei der Vertragsgestaltung können für Arbeitgeber unangenehme Folgen haben, bis hin zur Entstehung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmer wiederum sollten ihre Rechte kennen, um eine möglicherweise unwirksame Befristung erkennen und angreifen zu können.
Dieser Leitfaden beleuchtet die wichtigsten Regelungen zur Befristung, zeigt typische Fallstricke auf und gibt Praxishinweise für beide Seiten.
I. Grundlegende Unterscheidung: Befristung mit und ohne Sachgrund
Das Gesetz unterscheidet primär zwischen der Befristung mit sachlichem Grund und der Befristung ohne sachlichen Grund (sachgrundlose Befristung).
Die Befristung mit Sachgrund (§ 14 Abs. 1 TzBfG)
Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist grundsätzlich nur zulässig, wenn ein sachlicher Grund sie rechtfertigt (§ 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG). Dieser Sachgrund muss bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv vorliegen. Ein späterer Wegfall des Sachgrundes berührt die Wirksamkeit der Befristung nicht. Umgekehrt ist die Befristung unwirksam, wenn bei Vertragsschluss kein Sachgrund vorlag und auch die Voraussetzungen einer sachgrundlosen Befristung nicht erfüllt sind.
Wichtiges Missverständnis (oft auf Arbeitgeberseite): Der Sachgrund muss zwar vorliegen und im Streitfall vom Arbeitgeber nachgewiesen werden können, er muss aber nicht zwingend im Arbeitsvertrag explizit genannt werden. Oft ist daher auch von einer expliziten Nennung für Arbeitgeber abzuraten.
Beispiele für Sachgründe (§ 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG – nicht abschließend):
- Vorübergehender betrieblicher Bedarf: Der Bedarf an der Arbeitsleistung besteht nur für eine absehbare Zeit (z.B. Saisonarbeit, Projektarbeit, Auftragsspitzen).
- Anschluss an Ausbildung oder Studium: Zur Erleichterung des Übergangs in eine Anschlussbeschäftigung.
- Vertretung: Beschäftigung zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers (z.B. wegen Krankheit, Elternzeit, Urlaub).
- Eigenart der Arbeitsleistung: Die spezifische Natur der Tätigkeit rechtfertigt die Befristung (z.B. Schauspieler für eine bestimmte Produktion, Profisportler).
- Erprobung: Die Befristung erfolgt zur Erprobung des Arbeitnehmers (Dauer muss angemessen sein).
- In der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe: Z.B. Zwingender Wunsch des Arbeitnehmers nach einer befristeten Beschäftigung.
- Haushaltsmittel: Vergütung aus Haushaltsmitteln, die für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind (v.a. im öffentlichen Dienst).
- Gerichtlicher Vergleich: Die Befristung beruht auf einem gerichtlichen Vergleich.
Kettenbefristungen mit Sachgrund: Grundsätzlich können Arbeitsverträge mit Sachgrund beliebig oft und für unbegrenzte Dauer nacheinander abgeschlossen werden. Allerdings unterliegt dies einer Missbrauchskontrolle durch die Arbeitsgerichte. Dabei gilt eine “Je-desto-Betrachtung”: Je häufiger und je länger eine Kette von Befristungen (auch mit wechselnden Sachgründen) andauert, desto genauer prüfen die Gerichte, ob nicht ein institutioneller Rechtsmissbrauch vorliegt, weil eigentlich ein dauerhafter Beschäftigungsbedarf besteht. Als Orientierung für einen möglichen Missbrauch dient die Überschreitung der Grenzen der sachgrundlosen Befristung.
Praxishinweis für Arbeitgeber:
- Dokumentieren Sie den jeweiligen Sachgrund sorgfältig und nachvollziehbar bereits bei Vertragsschluss. Die Beweislast für das Vorliegen des Sachgrundes liegt bei Ihnen.
- Jeder Sachgrund hat spezifische Voraussetzungen. Prüfen Sie genau, ob diese im Einzelfall erfüllt sind. Fehler können bei jedem Sachgrund auftreten.
- Bei Kettenbefristungen ist besondere Vorsicht geboten. Ab einer bestimmten Gesamtdauer oder Anzahl von Verlängerungen steigt das Risiko, dass Gerichte einen Rechtsmissbrauch annehmen.
Praxishinweis für Arbeitnehmer:
- Wenn Ihr Vertrag mit Sachgrund befristet ist, hinterfragen Sie kritisch, ob der (ggf. vom Arbeitgeber später genannte) Sachgrund tatsächlich vorliegt und tragfähig ist.
- Bei sehr langen oder zahlreichen aufeinanderfolgenden Befristungen (Kettenbefristung) sollten Sie prüfen lassen, ob nicht ein Rechtsmissbrauch vorliegt, der zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis führen könnte.
Besonderheit: Die Zweckbefristung und Informationspflichten
Neben der kalendermäßigen Befristung (Ende zu einem festen Datum) gibt es die Zweckbefristung. Hier endet das Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf einer bestimmten Zeit, sondern mit Erreichen eines bestimmten Zwecks (z.B. Abschluss eines Projekts, Rückkehr des vertretenen Mitarbeiters), dessen Zeitpunkt aber ungewiss ist.
Eine wichtige Regelung hierzu findet sich in § 15 Abs. 2 TzBfG: Ist das Arbeitsverhältnis für die Dauer eines bestimmten Zwecks eingegangen worden, so endet es mit Erreichen dieses Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.
Praxishinweis für Arbeitgeber:
- Definieren Sie den Zweck im Arbeitsvertrag so präzise wie möglich, damit klar ist, wann er erreicht ist.
- Vergessen Sie nicht die schriftliche Unterrichtungspflicht über die Zweckerreichung. Ohne diese Mitteilung läuft das Arbeitsverhältnis weiter, auch wenn der Zweck objektiv erreicht ist, und kann ggf. sogar in ein unbefristetes übergehen, wenn Sie nicht unverzüglich widersprechen, sollte der Arbeitnehmer weiterarbeiten. Die Zwei-Wochen-Frist beginnt erst mit Zugang Ihrer schriftlichen Mitteilung beim Arbeitnehmer zu laufen.
Praxishinweis für Arbeitnehmer:
- Ist Ihr Vertrag zweckbefristet, haben Sie Anspruch auf eine schriftliche Mitteilung Ihres Arbeitgebers, wenn der Zweck erreicht ist.
- Das Arbeitsverhältnis endet dann nicht sofort, sondern erst zwei Wochen nach Zugang dieser Mitteilung. Diese Zeit gibt Ihnen etwas Planungsspielraum.
- Prüfen Sie, ob der im Vertrag genannte Zweck tatsächlich erreicht ist. Bei Unklarheiten oder wenn Sie keine Mitteilung erhalten, obwohl das Projekt z.B. offensichtlich beendet ist, sollten Sie Rechtsrat einholen.
Die sachgrundlose Befristung (§ 14 Abs. 2, 2a, 3 TzBfG)
Liegt kein Sachgrund vor, kann eine Befristung ausnahmsweise ohne Sachgrund zulässig sein. Diese Möglichkeit wurde zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes geschaffen.
- Allgemeine sachgrundlose Befristung bei Neueinstellung (§ 14 Abs. 2 TzBfG):
- Höchstdauer: Bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren.
- Verlängerung: Innerhalb dieser zwei Jahre ist eine bis zu dreimalige Verlängerung des ursprünglich kürzer befristeten Vertrages zulässig.
- Striktes Vorbeschäftigungsverbot: Eine sachgrundlose Befristung ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
- Ausnahmen sind sehr eng: Die Vorbeschäftigung muss „sehr lange zurückliegen (z.B. 22 Jahre laut BAG), ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.” Eine acht Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung wurde vom BAG bereits als nicht „sehr lange zurückliegend” eingestuft.
- Wichtig bei Verlängerung: Bei der Verlängerung darf ausschließlich die Vertragsdauer geändert werden. Alle anderen Arbeitsbedingungen (Gehalt, Arbeitszeit, Tätigkeit, Arbeitsort etc.) müssen unverändert bleiben. Jede gleichzeitige Änderung anderer Bedingungen führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis nicht mehr als sachgrundlos befristet und somit als unbefristet gilt.
- Sachgrundlose Befristung bei Existenzgründung (§ 14 Abs. 2a TzBfG):
- In den ersten vier Jahren nach Gründung eines Unternehmens ist die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bis zu einer Dauer von vier Jahren zulässig. Auch mehrfache Verlängerungen bis zu dieser Gesamtdauer sind möglich.
- Gilt nicht für Neugründungen im Rahmen von rechtlichen Umstrukturierungen bestehender Unternehmen oder Konzerne.
- Sachgrundlose Befristung älterer Arbeitnehmer (§ 14 Abs. 3 TzBfG):
- Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar zuvor mindestens vier Monate beschäftigungslos war, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme teilgenommen hat. Innerhalb dieser fünf Jahre sind auch mehrfache Verlängerungen möglich.
Praxishinweis für Arbeitgeber:
- Vorbeschäftigungsverbot penibel prüfen: Fragen Sie Bewerber im Personalfragebogen nach Vorbeschäftigungen beim selben Arbeitgeber und prüfen Sie Ihre Personalakten. Das Risiko einer unwirksamen Befristung ist hier hoch.
- Verlängerungen sachgrundloser Befristungen: Ändern Sie bei einer Verlängerung tatsächlich nur die Laufzeit. Jede andere Änderung ist extrem riskant. Schließen Sie die Verlängerungsvereinbarung unbedingt vor Ablauf des alten Vertrages und vor Weiterarbeit zu den neuen Konditionen schriftlich ab.
- Nutzen Sie die erweiterten Möglichkeiten bei Existenzgründungen und der Einstellung älterer Arbeitnehmer, aber achten Sie auch hier genau auf die spezifischen Voraussetzungen.
Praxishinweis für Arbeitnehmer:
- Vorbeschäftigung bekannt? Wenn Sie bereits früher bei demselben Arbeitgeber beschäftigt waren (und dies nicht extrem lange her ist oder die Tätigkeit völlig anders war), ist eine sachgrundlose Befristung oft angreifbar.
Verlängerungsvertrag genau prüfen: Wurden bei der Verlängerung neben der Dauer auch andere Aspekte Ihres Vertrages geändert (z.B. höheres Gehalt, andere Aufgaben)? Dann könnte die Befristung unwirksam sein.
II. Formale Anforderungen: Die Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG)
Sowohl die Befristung mit Sachgrund als auch die sachgrundlose Befristung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das bedeutet, die Befristungsabrede (also die Vereinbarung, dass das Arbeitsverhältnis befristet sein soll) muss von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor der tatsächlichen Arbeitsaufnahme schriftlich niedergelegt und von beiden Seiten eigenhändig unterschrieben werden („wet ink”). Eine E-Mail oder ein Fax genügen nicht.
Das Schriftformerfordernis bezieht sich nur auf die Befristungsabrede selbst, nicht zwingend auf den gesamten Arbeitsvertrag oder die Nennung des Sachgrundes.
Achtung – Gravierende Folge bei Formverstoß: Wird gegen das Schriftformerfordernis vor Arbeitsaufnahme verstoßen (z.B. Arbeitnehmer beginnt zu arbeiten aufgrund mündlicher Zusage, schriftlicher Vertrag folgt später), ist die Befristung unwirksam. Die Folge: Es entsteht automatisch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (§ 16 S. 1 TzBfG). Dieses kann dann wegen des Vorbeschäftigungsverbots später oft nicht mehr ohne Sachgrund befristet werden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist wirksam nur noch durch eine Kündigung möglich.
Praxishinweis für Arbeitgeber:
- Absolute Priorität: Lassen Sie den Arbeitnehmer niemals die Arbeit aufnehmen, bevor die Befristungsabrede von beiden Seiten schriftlich unterzeichnet wurde! Auch eine mündliche Abrede, dies später nachzuholen, heilt den Formfehler nicht. Im Zweifel lieber den Arbeitsantritt verschieben.
- Sorgen Sie für einen klaren Prozess, damit befristete Verträge rechtzeitig vor Arbeitsbeginn finalisiert und unterschrieben sind.
Praxishinweis für Arbeitnehmer:
- Für Sie ist ein Formfehler des Arbeitgebers hier vorteilhaft: Haben Sie die Arbeit aufgenommen, bevor die Befristung schriftlich vereinbart war, ist Ihr Arbeitsverhältnis in der Regel unbefristet.
- Bewahren Sie alle Unterlagen sorgfältig auf, die den Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung und des Arbeitsbeginns belegen können.
III. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Befristungen
Besteht in Ihrem Betrieb ein Betriebsrat, so hat dieser bei der Einstellung von Arbeitnehmern – und dazu zählt auch jede befristete Einstellung – ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat vor jeder befristeten Einstellung unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichten und dessen Zustimmung einholen.
Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung aus einem der im Gesetz genannten Gründe (z.B. Verstoß gegen ein Gesetz, eine Verordnung, einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung; Besorgnis, dass durch die Einstellung betriebsangehörige Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden), darf der Arbeitgeber die Einstellung zunächst nicht durchführen. Er kann dann versuchen, die Zustimmung des Betriebsrats durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen.
Die Beteiligung des Betriebsrats beim Auslaufen einer wirksam vereinbarten Befristung ist hingegen nicht erforderlich, da dies automatisch geschieht. Anders sieht es aus, wenn eine Befristung verlängert werden soll – auch dies ist eine zustimmungspflichtige Einstellung.
Praxishinweis für Arbeitgeber:
- Denken Sie bei jeder befristeten Einstellung (auch bei Verlängerungen) an die rechtzeitige und vollständige Beteiligung Ihres Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG.
- Eine ohne die erforderliche (ggf. gerichtlich ersetzte) Zustimmung des Betriebsrats durchgeführte Einstellung kann zur Unwirksamkeit der Maßnahme führen und den Betriebsrat zu weiteren Schritten berechtigen.
IV. Rechtsschutz für Arbeitnehmer: Die Befristungskontrollklage (§ 17 TzBfG)
Ein Arbeitnehmer, der die Unwirksamkeit einer Befristung geltend machen möchte (z.B. weil kein Sachgrund vorlag, das Vorbeschäftigungsverbot missachtet wurde oder die Schriftform nicht eingehalten wurde), muss dies innerhalb einer sehr kurzen Frist tun.
Die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet wurde (sogenannte Befristungskontrollklage oder Entfristungsklage), muss innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages beim Arbeitsgericht erhoben werden.
Wird diese Frist versäumt, gilt die Befristung als von Anfang an wirksam (§ 17 S. 2 TzBfG i.V.m. § 7 KSchG), auch wenn sie ursprünglich fehlerhaft war! Das Arbeitsverhältnis endet dann zum vereinbarten Zeitpunkt.
Praxishinweis für Arbeitgeber:
- Nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist (sofern der Arbeitnehmer keine Klage erhoben hat) können Sie in der Regel davon ausgehen, dass die Befristung als wirksam gilt und das Arbeitsverhältnis zum vereinbarten Termin endete, selbst wenn die Befristung ursprünglich angreifbar gewesen wäre.
Praxishinweis für Arbeitnehmer:
- Die 3-Wochen-Frist ist extrem wichtig! Wenn Sie Zweifel an der Wirksamkeit Ihrer Befristung haben, suchen Sie unbedingt vor Ablauf dieser Frist (am besten schon deutlich vorher) anwaltlichen Rat. Versäumen Sie die Frist, ist die Chance auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis meist vertan.
V. Unbefristet durch Weiterarbeit? Die Fiktion des § 15 Abs. 6 TzBfG
Ein oft übersehener, aber folgenreicher Umstand kann zur Entstehung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses führen: die stillschweigende Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach dem vereinbarten Befristungsende.
Gemäß § 15 Abs. 6 TzBfG gilt ein Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn es nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen war, oder nach Zweckerreichung mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird und der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht. „Unverzüglich“ bedeutet hier ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB).
Praxishinweis für Arbeitgeber:
- Vorsicht am Vertragsende! Wenn ein befristeter Vertrag ausläuft, stellen Sie sicher, dass der Arbeitnehmer die Arbeit tatsächlich nicht fortsetzt.
- Dulden Sie keine Weiterarbeit „aus Versehen.“ Schulen Sie Ihre Führungskräfte, hierauf zu achten.
- Falls ein Arbeitnehmer dennoch weiterarbeitet, müssen Sie unverzüglich (am besten schriftlich und nachweisbar) der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses widersprechen, um die Entstehung eines unbefristeten Vertrages zu verhindern.
Praxishinweis für Arbeitnehmer:
- Wenn Ihr befristeter Vertrag endet, Sie aber mit Wissen und ohne Widerspruch Ihres Arbeitgebers einfach weiterarbeiten (z.B. am nächsten Tag wieder zur Arbeit erscheinen und Ihre Aufgaben erledigen), kann dadurch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstehen.
- Dies ist eine Chance, aber auch eine Situation, die schnell geklärt werden sollte. Dokumentieren Sie, dass Sie mit Wissen des Arbeitgebers weitergearbeitet haben.
VI. Besonderheit: Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen (§ 15 Abs. 3 TzBfG)
Seit dem 01.08.2022 gilt: Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, muss deren Dauer im angemessenen Verhältnis zur erwarteten Dauer der Befristung und zur Art der Tätigkeit stehen.
Was bedeutet „angemessen”? Eine gesetzliche Definition gibt es nicht, dies wird von der Rechtsprechung im Einzelfall zu klären sein. Es ist aber davon auszugehen, dass eine Probezeit, die beispielsweise die gesamte Dauer einer kurzen Befristung (z.B. 6 Monate Befristung mit 6 Monaten Probezeit) oder einen unverhältnismäßig langen Anteil davon einnimmt, als unangemessen und damit die Probezeitvereinbarung als solche als unwirksam angesehen wird.
Folge einer unwirksamen Probezeitvereinbarung: Die Unwirksamkeit der Probezeitklausel berührt die Wirksamkeit des befristeten Arbeitsvertrages im Übrigen nicht. Es entfällt dann lediglich die Möglichkeit einer verkürzten Kündigungsfrist während der Probezeit. Ob und wie dann während der Befristung ordentlich gekündigt werden kann, hängt davon ab, ob dies im Arbeitsvertrag überhaupt wirksam vereinbart wurde (was bei Befristungen nach § 15 Abs. 4 TzBfG grundsätzlich nur bei ausdrücklicher Vereinbarung möglich ist) und eine solche Regelung von der Unwirksamkeit mit erfasst wird oder sprachlich trennbar ist („blue pencil“ Test).
Praxishinweis für Arbeitgeber:
- Passen Sie die Dauer der Probezeit bei befristeten Verträgen sorgfältig an die Gesamtdauer der Befristung und die Komplexität der Tätigkeit an. Bei kurzen Befristungen ist nur eine sehr kurze oder gar keine Probezeit angemessen.
- Dokumentieren Sie die Überlegungen zur Angemessenheit der Probezeitdauer.
Praxishinweis für Arbeitnehmer:
- Erscheint Ihnen die vereinbarte Probezeit im Verhältnis zur Gesamtdauer Ihrer Befristung unverhältnismäßig lang, könnte die Probezeitvereinbarung unwirksam sein. Dies hätte Auswirkungen auf die Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers während dieser Zeit.
VII. Sonderregelungen zur Befristung in speziellen Bereichen
Neben den allgemeinen Regelungen des TzBfG gibt es für bestimmte Branchen und Personengruppen Spezialgesetze mit eigenen Befristungsvorschriften. Diese gehen den allgemeinen Regeln vor oder ergänzen sie.
Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG)
Das WissZeitVG enthält Sonderregelungen für die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Hier sind Befristungen insbesondere zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung (z.B. Promotion, Habilitation) oder im Rahmen von Drittmittelprojekten unter erleichterten Bedingungen und für längere Zeiträume möglich als im TzBfG vorgesehen. Die Sachgründe sind spezifisch auf den Wissenschaftsbetrieb zugeschnitten.
Ärzte in Weiterbildung (ÄArbVtrG)
Das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung ermöglicht die Befristung von Arbeitsverträgen mit Ärzten für die Dauer ihrer Weiterbildung zum Facharzt, in einem Schwerpunkt oder zum Erwerb einer Zusatzbezeichnung. Der Sachgrund ist hier die Weiterbildung selbst. Die Regelungen gelten auch für Psychotherapeuten. Die Regelungen im WissZeitVG sind jedoch vorrangig (§ 1 Abs. 7 ÄArbVtrG), was z.B. bei der Weiterbildung in Universitätskrankenhäusern zu beachten ist.
Altersbefristung und Hinausschieben der Regelaltersgrenze (§ 41 SGB VI)
Nach § 41 SGB VI ist der Anspruch auf Altersrente an sich kein Kündigungsgrund.
- Eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Textform (§ 41 Abs. 2 SGB VI). Wichtig: § 14 Abs. 4 TzBfG (Schriftform für Befristungen) gilt hier ausdrücklich nicht.
- Sieht eine solche Vereinbarung die Beendigung mit Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt hinausschieben, gegebenenfalls auch mehrfach (§ 41 Abs. 1 S. 3 SGB VI). Für diese Vereinbarung über das Hinausschieben selbst gilt, mangels anders lautender Anordnung des Gesetzgebers, die Schriftform wie für alle sonstigen Befristungsregelungen.
VII. Befristungen im Kontext von Umstrukturierungen
In Phasen betrieblicher Umstrukturierungen oder bei unsicherer Auftragslage greifen Arbeitgeber oft auf befristete Arbeitsverträge zurück oder lassen bestehende Befristungen auslaufen, um Personal flexibel anzupassen. Für Arbeitgeber hat das Auslaufenlassen einer wirksamen Befristung den Vorteil, dass kein Kündigungsgrund, keine Sozialauswahl und keine direkte Betriebsratsbeteiligung (beim Auslaufen selbst) erforderlich ist. Dies kann ein strategisches Mittel sein, um Personalabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen zu realisieren.
Praxishinweis für Arbeitgeber:
- Das Auslaufenlassen wirksam befristeter Verträge kann in Umstrukturierungsphasen ein legitimes Mittel zur Personalanpassung sein. Achten Sie jedoch darauf, dass die ursprüngliche Befristung (insbesondere wenn sie mit Sachgrund erfolgte) korrekt war.
- Bei Neueinstellungen in Umstrukturierungsphasen prüfen Sie sorgfältig, ob die Voraussetzungen für eine Befristung (mit oder ohne Sachgrund) tatsächlich vorliegen.
Praxishinweis für Arbeitnehmer:
- Wenn Ihr befristeter Vertrag in einer Umstrukturierungsphase ausläuft, sind Ihre direkten Abwehrmöglichkeiten gegen das Auslaufen begrenzt, sofern die Befristung ursprünglich wirksam vereinbart wurde.
- Ihre Chance liegt in der Überprüfung der ursprünglichen Befristungsvereinbarung auf mögliche Fehler (Sachgrund, Schriftform, Vorbeschäftigung etc.). Hier kann die Befristungskontrollklage (innerhalb der 3-Wochen-Frist!) ansetzen.
IX. Gleichbehandlungsgrundsatz für befristet Beschäftigte
Ein wichtiger Punkt, der oft zu Missverständnissen führt: Befristet beschäftigte Arbeitnehmer dürfen nach § 4 Abs. 2 TzBfG nicht ohne sachlichen Grund schlechter behandelt werden als vergleichbare unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer. Das betrifft beispielsweise das Arbeitsentgelt, Sonderzahlungen, Urlaub, betriebliche Altersversorgung oder den Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen.
Praxishinweis für Arbeitgeber:
- Stellen Sie sicher, dass befristet Beschäftigte hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und Leistungen nicht ohne triftigen sachlichen Grund benachteiligt werden. Verstöße können zu Nachzahlungsansprüchen führen.
Praxishinweis für Arbeitnehmer:
- Sie haben grundsätzlich Anspruch auf die gleichen Arbeitsbedingungen wie Ihre unbefristeten Kollegen, es sei denn, es gibt einen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Behandlung.
Fazit: Befristungen als Chance und Risiko – Sorgfalt ist entscheidend
Befristete Arbeitsverträge bieten Arbeitgebern notwendige Flexibilität, bergen aber bei fehlerhafter Gestaltung erhebliche Risiken – allen voran die ungewollte Entstehung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Eine sorgfältige Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere der Schriftform, des Vorliegens eines Sachgrundes (falls erforderlich) und der Regelungen zum Vorbeschäftigungsverbot, ist unerlässlich.
Für Arbeitnehmer kann eine Befristung den Einstieg oder Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt bedeuten, ist aber oft mit Unsicherheit verbunden. Sie sollten ihre Rechte kennen und insbesondere die Wirksamkeit der Befristung sowie die Einhaltung der 3-Wochen-Frist für eine Entfristungsklage im Auge behalten.
Aufgrund der Komplexität der Materie und der oft weitreichenden finanziellen und persönlichen Konsequenzen ist eine frühzeitige anwaltliche Beratung für beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – dringend zu empfehlen.
Befristung von Arbeitsverträgen: Wir beraten Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Die rechtssichere Gestaltung und Überprüfung von befristeten Arbeitsverträgen ist ein komplexes Feld des Arbeitsrechts. Fehler können für Arbeitgeber zur unerwünschten Daueranstellung führen und für Arbeitnehmer den Verlust der Chance auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bedeuten.
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