Nachvertragliches Wettbewerbsverbot
Aktualisiert am: 23. September 2025
Lesezeit: ca. 8 Minuten
Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste in Kürze

  • Voraussetzungen: Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot muss schriftlich vereinbart werden, darf maximal zwei Jahre dauern und eine Karenzentschädigung enthalten, um wirksam zu sein.
  • Karenzentschädigung: Die Karenzentschädigung muss mindestens 50 % der zuletzt bezogenen Gesamtvergütung entsprechen.
  • Fehlerfolge: Ist die Entschädigung zu niedrig oder das Verbot zu weitreichend, ist es oft nur „unverbindlich“ und der Arbeitnehmer kann sie missachten.

Was ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot?

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot verbietet es einem Arbeitnehmer, nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses für einen bestimmten Zeitraum in Konkurrenz zu seinem ehemaligen Arbeitgeber zu treten. Ziel ist es, den Arbeitgeber davor zu schützen, dass der ausscheidende Mitarbeiter sein erworbenes Wissen, seine Kenntnisse über Betriebsgeheimnisse oder seine Kundenkontakte direkt bei einem Wettbewerber einsetzt. Die rechtlichen Grundlagen hierfür finden sich in den §§ 74 ff. HGB, die auf alle Arbeitnehmer Anwendung finden, § 110 GewO.

Wann ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirksam?

Da ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist nur dann wirksam, wenn es den hohen Anforderungen der Rechtsprechung entspricht. Im Einzelnen muss eine nachvertragliche Wettbewerbsklausel folgende Kriterien erfüllen:

  1. Schriftform: Die Vereinbarung über das Verbot muss schriftlich erfolgen und von Arbeitgeber und Arbeitnehmer eigenhändig unterschrieben werden. Eine Regelung per E-Mail oder eine mündliche Absprache ist unwirksam.
  2. Berechtigtes geschäftliches Interesse: Der Arbeitgeber muss ein berechtigtes Interesse am Verbot haben. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Arbeitnehmer Einblick in sensible Bereiche wie den Kundenstamm, Preislisten oder Geschäftsstrategien hatte.
  3. Karenzentschädigung: Der Arbeitgeber muss sich verpflichten, dem Arbeitnehmer für die Dauer des Verbots eine monatliche Entschädigung zu zahlen. Diese Karenzentschädigung muss mindestens 50 % der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen betragen. Zur Berechnung zählt die gesamte Vergütung, also nicht nur das Grundgehalt, sondern alle geldwerten Vorteile. Dazu gehören insbesondere:
    • Provisionen
    • Boni und Tantiemen
    • Weihnachts- und Urlaubsgeld
    • Der geldwerte Vorteil eines Dienstwagens
    • Vermögenswirksame Leistungen
    • Je nach Zeitpunkt der Auszahlung auch der Wert von (virtuellen) Aktienoptionen (BAG, Urteil vom 27. März 2025, Az. 8 AZR 63/24)
  4. Höchstdauer: Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot darf für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden.
  5. Angemessenheit: Das Verbot darf das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschweren. Der Geltungsbereich (örtlich, gegenständlich und zeitlich) muss im Verhältnis zum geschützten Interesse des Arbeitgebers angemessen sein.

Berechnungsbeispiel zur Karenzentschädigung: Ein Vertriebsleiter in Hamburg verdiente zuletzt EUR 80.000 Jahresgehalt plus einen Firmenwagen mit einem geldwerten Vorteil von EUR 10.000 pro Jahr. Seine Gesamtvergütung beträgt damit EUR 90.000. Die Mindestkarenzentschädigung für ein einjähriges Wettbewerbsverbot beläuft sich auf EUR 45.000 (50 % von EUR 90.000).

Welche Folge hat die unwirksame Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots?

Ist das Wettbewerbsverbot fehlerhaft vereinbart, kann das zur Unverbindlichkeit und zur Nichtigkeit führen. Bei der Unverbindlichkeit erhält der Arbeitnehmer ein Wahlrecht, ob er sich an das nachvertragliche Wettbewerbsverbot halten möchte. Hält er sich an das Wettbewerbsverbot, kann er die Karenzentschädigung in korrekter Höhe verlangen. Alternativ kann er das Wettbewerbsverbot ignorieren, verliert dann aber seinen Anspruch auf die Entschädigung.

In selteneren Fällen kann ein Wettbewerbsverbot auch gänzlich nichtig, also von Anfang an unwirksam sein. Eine nichtige Klausel entfaltet keinerlei Wirkung, der Arbeitnehmer ist frei und der Arbeitgeber muss nichts zahlen.

Wann ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot unverbindlich?

Das Wettbewerbsverbot ist unverbindlich, wenn

  • das Wettbewerbsverbot den Arbeitnehmer unangemessen beschränkt;
  • eine zu geringe Karenzentschädigung zugesagt wurde;
  • kein berechtigtes geschäftliches Interesse besteht;
  • das Wettbewerbsverbot zu weit gefasst ist;
  • das Wettbewerbsverbot länger als zwei Jahre vereinbart ist.

Wann ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nichtig?

Das Wettbewerbsverbot ist nichtig, wenn

  • die Schriftform für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht gewahrt wurde;
  • ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung vereinbart wurde;
  • der Arbeitnehmer bei Abschluss des Wettbewerbsverbots minderjährig war.

Was droht bei einem Verstoß gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot?

Verstößt ein Arbeitnehmer gegen ein wirksames und verbindliches nachvertragliches Wettbewerbsverbot, drohen ihm mehrere Konsequenzen, insbesondere Unterlassungsansprüche und Schadensersatzansprüche. Im Einzelnen drohen folgende Konsequenzen:

  • Verlust der Entschädigung: Er verliert für die Zeit des Verstoßes seinen Anspruch auf die Karenzentschädigung.
  • Unterlassungsanspruch: Der ehemalige Arbeitgeber kann gerichtlich verlangen, dass der Arbeitnehmer die Konkurrenztätigkeit unterlässt.
  • Schadensersatz: Der Arbeitgeber kann Schadensersatz fordern. Dies ist in der Praxis oft schwer, da der konkrete, durch den Wettbewerb entstandene Schaden nachgewiesen werden muss.
  • Vertragsstrafe: Oft enthalten die Klauseln eine Vertragsstrafe für den Fall eines Verstoßes, die der Arbeitnehmer dann zahlen muss.

Wie wird ein anderer Verdienst auf die Karenzentschädigung angerechnet?

Erzielt der Arbeitnehmer während der Dauer des Verbots Einkommen aus einer anderen Tätigkeit, muss er sich dies auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen.

Gemäß § 74c HGB gilt dabei: Übersteigen die Karenzentschädigung und der neue Verdienst zusammen 110 % der zuletzt bezogenen Vergütung, ist der übersteigende Betrag von der Entschädigung abzuziehen. Musste der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz verlegen, um die neue Stelle anzutreten, liegt die Grenze bei 125%.

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seinem ehemaligen Arbeitgeber auf Verlangen Auskunft über die Höhe seiner Einkünfte zu erteilen. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass der Arbeitgeber danach nur eine niedrigere Karenzentschädigung hätte zahlen müssen, weil der Arbeitnehmer Arbeitseinkommen bezogen hat, kann er die zu viel gezahlte Entschädigung zurückverlangen.

Kann man sich nach der Kündigung von dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot lösen?

Kündigt der Arbeitgeber den Vertrag aus Gründen, die nicht im Verhalten des Arbeitnehmers liegen (z.B. betriebsbedingte Kündigung), oder kündigt der Arbeitnehmer außerordentlich, weil der Arbeitgeber sich vertragswidrig verhalten hat, entsteht für den Arbeitnehmer ein besonderes Lösungsrecht. Er kann innerhalb eines Monats nach Zugang der Kündigung schriftlich erklären, dass er sich nicht an das Wettbewerbsverbot gebunden fühlt.

Das selbe Recht gilt für einen Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer wegen vertragswidrigem Verhalten fristlos kündigt.

Welche Besonderheiten gelten bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für Geschäftsführer und Vorstände?

Für einen angestellten Geschäftsführer einer GmbH oder einen Vorstand einer AG gelten die strengen Regeln der §§ 74 ff. HGB nicht direkt, da sie rechtlich als Organe der Gesellschaft und nicht als Arbeitnehmer gelten. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist dennoch möglich, seine Zulässigkeit richtet sich aber nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen.

Der Bundesgerichtshof berücksichtigt danach nicht die Wertungen des §§ 74 ff. HGB, sondern prüft das Wettbewerbsverbot am Grundsatz der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB). Damit sind im Einzelfall auch weitergehende Wettbewerbsverbote als mit Arbeitnehmern möglich, auch ohne Karenzentschädigung.

Möchten die Parteien nicht, dass diese weitgehenden Regeln anwendbar sind, sondern die gesetzlich vorgesehenen Regeln greifen, können sie vereinbaren, dass die §§ 74 ff. HGB auch beim Geschäftsführer oder Vorstand anzuwenden sind.

Kann der Arbeitgeber auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verzichten?

Ein Arbeitgeber kann schon vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich auf das Wettbewerbsverbot verzichten, § 75a HGB. Damit wird er von seiner Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung frei – allerdings erst nach Ablauf von 12 Monaten ab der Verzichtserklärung. Der Arbeitnehmer ist hingegen mit dem Zugang des Verzichts sofort von dem Verbot befreit.

Wie wird die Karenzentschädigung versteuert und in der Sozialversicherung berücksichtigt?

Die Karenzentschädigung wird in der Regel steuerlich als „Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit“ behandelt und ist somit voll lohnsteuerpflichtig.

Sozialversicherungsrechtlich gilt die Karenzentschädigung jedoch nicht als Arbeitsentgelt. Das bedeutet, dass auf die Zahlung weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer Sozialversicherungsbeiträge (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) zu entrichten sind. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitgeber sie als Einmalzahlung während des Arbeitsverhältnisses zahlt (z.B. zusammen mit der Abfindung im letzten Monat der Beschäftigung). Dann gilt sie als laufendes Einkommen und ist dementsprechend bei der Sozialversicherung einzubeziehen.

Wettbewerbsverbot: Wir prüfen Ihre Klauseln und Ansprüche

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind ein komplexes Rechtsgebiet mit erheblichen finanziellen Konsequenzen für beide Seiten. Als Fachanwälte für Arbeitsrecht in Hamburg kennen wir Regelungsmöglichkeiten und beraten Sie gerne zur Gestaltung oder Durchsetzung von Ansprüchen aus nachvertraglichen Wettbewerbsverboten.

Sind Sie Arbeitgeber und möchten ein rechtssicheres Wettbewerbsverbot formulieren oder eine bestehende Klausel auf ihre Wirksamkeit prüfen lassen? Wir helfen Ihnen, Ihre Interessen wirksam zu schützen.

Sind Sie Arbeitnehmer und mit einem Wettbewerbsverbot konfrontiert? Wir prüfen die Klausel auf ihre Verbindlichkeit, berechnen die korrekte Höhe Ihrer Entschädigung und zeigen Ihnen Ihre Handlungsoptionen auf.

Nehmen Sie jetzt unverbindlich und kostenfrei Kontakt mit uns auf für eine fundierte Erstberatung.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

1. Wie wird ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart?

Sie können das Wettbewerbsverbot im Arbeitsvertrag oder in einer späteren separaten Zusatzvereinbarung regeln. Entscheidend ist in jedem Fall die Einhaltung der Schriftform, das heißt, das Dokument muss von beiden Parteien eigenhändig unterschrieben werden.

2. Was zählt alles zur „Gesamtvergütung“ für die Berechnung der Entschädigung?

Zur Gesamtvergütung zählen alle finanziellen Leistungen, die der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeit erhalten hat. Dazu gehören das Grundgehalt, Provisionen, Boni, Weihnachtsgeld, Sachbezüge wie der geldwerte Vorteil eines Firmenwagens und Aktienoptionen.

3. Was passiert, wenn der Arbeitgeber insolvent wird?

Rückständige Karenzentschädigungen aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung sind Insolvenzforderungen. Entschädigungsansprüche, die nach der Eröffnung fällig werden, sind Masseforderungen und werden vorrangig bedient. Der Insolvenzverwalter hat jedoch nach § 103 InsO das Recht, sich von dem Wettbewerbsverbot zu lösen.

4. Was passiert, wenn ich trotz eines gültigen Verbots für einen Konkurrenten arbeite?

Wenn Sie gegen ein wirksames Wettbewerbsverbot verstoßen, verlieren Sie Ihren Anspruch auf die Karenzentschädigung. Zudem kann Ihr ehemaliger Arbeitgeber Sie auf Unterlassung und Schadensersatz verklagen.

5. Wird die Karenzentschädigung auf das Arbeitslosengeld I angerechnet?

Nein, die Karenzentschädigung muss nicht auf das ALG I angerechnet werden. Denn es handelt sich nicht um anderweitige Einkünfte aus einer Beschäftigung, § 155 SGB III. Um den Vorwurf des Sozialbetrugs zu vermeiden, sprechen Sie die Karenzentschädigung an.

6. Kann ich mit einem Freelancer oder freien Mitarbeiter ein Wettbewerbsverbot vereinbaren?

Auch mit Freelancern und freien Mitarbeitern können Wettbewerbsverbote vereinbart werden. Die Wirksamkeit richtet sich wie bei Organmitgliedern regelmäßig nach der Sittenwidrigkeit.

Häufig gestellte fragen

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