Bewerbung von Schwerbehinderten
Aktualisiert am: 13. August 2025
Lesezeit: ca. 7 Minuten
Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste in Kürze

  • Förderung: Es bestehen umfangreiche Pflichten, um Schwerbehinderte zu fördern.
  • Einladungspflicht: Nur öffentliche Arbeitgeber sind grundsätzlich verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber zum Bewerbungsgespräch einzuladen.
  • Sanktionen: Pflichtverstöße können zu Bußgeldern und Entschädigungsansprüchen von abgelehnten Bewerbern führen.

Welche Besonderheiten bestehen bei Bewerbungen von Schwerbehinderten?

Um die Einstellung von Menschen mit Schwerbehinderung zu fördern, bestehen zugunsten schwerbehinderter Bewerber besondere Schutzbestimmungen und Förderpflichten im Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) und im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie im Bewerbungsverfahren eine Reihe von spezifischen Verfahrenspflichten einhalten müssen.

Die Pflichten, welche Arbeitgeber treffen, betreffen alle Phasen des Bewerbungsverfahrens:

  • Vorab: Schon bevor die Stelle offiziell ausgeschrieben wird, bestehen mehrere Pflichten, die Arbeitgeber einhalten müssen. So muss etwa der Arbeitgeber nach Anhörung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung prüfen, ob der Arbeitsplatz für Schwerbehinderte geeignet ist und die Stelle frühzeitig an die Bundesagentur für Arbeit melden.
  • Auswahlverfahren: Im Rahmen des Auswahlverfahrens muss der Arbeitgeber unter anderem die Rechte der Schwerbehindertenvertretung wahren. Öffentliche Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber grundsätzlich einzuladen.
  • Entscheidung: Im Anschluss an die Auswahl müssen Arbeitgeber einige Pflichten berücksichtigen. So gelten etwa erhöhte Anforderungen an die Absage von schwerbehinderten Bewerbern.

Welche Pflichten hat der Arbeitgebers vor der Stellenausschreibung?

Den Arbeitgeber treffen in Bezug auf Schwerbehinderte schon Prüf- und Meldepflichten nach dem SGB IX, bevor eine freie Stelle öffentlich ausgeschrieben wird:

  • Prüfung der Eignung: Arbeitgeber sind verpflichtet, vor der Ausschreibung einer Stelle zu prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann.
  • Beteiligung: Bei dieser Prüfung müssen, sofern im Betrieb vorhanden, die Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 SGB IX beteiligt und der Betriebs- oder Personalrat angehört werden (§ 164 Abs. 1 S. 6 SGB IX).
  • Meldung: Kommt der Arbeitgeber zu dem Ergebnis, dass die Stelle für einen schwerbehinderten Menschen geeignet ist, muss er die Stelle frühzeitig – in der Regel etwa eine Woche vor der eigentlichen Stellenausschreibung – der zuständigen Agentur für Arbeit melden (§ 164 Abs. 1 S. 1 SGB IX).

Welche Pflichten treffen den Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren?

Sobald eine Bewerbung von einem schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen beim Arbeitgeber eingeht, greifen weitere, zu beachtende Verfahrenspflichten. Der Arbeitgeber muss nun sicherstellen, dass die zuständigen Gremien korrekt eingebunden werden und die Bewerbung fair und nach den gesetzlichen Vorgaben geprüft wird.

  • Unverzügliche Unterrichtung: Nach § 164 Abs. 1 S. 4 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebs- oder Personalrat unmittelbar nach Eingang über Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen zu unterrichten. Dies gilt ebenso für Vermittlungsvorschläge der Bundesagentur für Arbeit.
  • Schwerbehindertenvertretung: Die Schwerbehindertenvertretung hat weitreichende Rechte, um die Interessen des Bewerbers zu wahren. Dazu gehört das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen sowie das Recht auf Teilnahme an den Vorstellungsgesprächen des schwerbehinderten Bewerbers (§ 178 Abs. 2 S. 4 SGB IX). Der schwerbehinderte Bewerber kann die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung jedoch ausdrücklich ablehnen (§ 164 Abs. 1 S. 10 SGB IX). In diesem Fall unterbleibt die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung .

Muss der Arbeitgeber den schwerbehinderten Bewerber einladen?

Ob ein schwerbehinderter Bewerber zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden muss, unterscheidet sich bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern:

  • Private Arbeitgeber: Private Arbeitgeber sind gesetzlich nicht verpflichtet, einen schwerbehinderten Bewerber allein aufgrund seiner Schwerbehinderteneigenschaft zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Selbstverständlich müssen sie die Bewerbung diskriminierungsfrei prüfen.
  • Öffentliche Arbeitgeber: Für öffentliche Arbeitgeber besteht hingegen eine gesetzliche Einladungspflicht (§ 165 S. 3 SGB IX). Sie müssen einen schwerbehinderten Bewerber, der sich beworben hat, zwingend zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Die Einladungspflicht für öffentliche Arbeitgeber ist nur dann entbehrlich, wenn dem Bewerber die fachliche Eignung offensichtlich fehlt (§ 165 S. 4 SGB IX). An diese Ausnahme werden von der Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen gestellt. Macht der öffentliche Arbeitgeber die Einstellung beispielsweise von einer bestimmten Note als fachliches Auswahlkriterium abhängig, so muss er beweisen können, dass er auch keine anderen Bewerber eingeladen hat, deren Noten unter der des schwerbehinderten Bewerbers lagen (BAG 29. April 2021, Az.: 8 AZR 279/20).

Wie muss die Absage an schwerbehinderte Bewerber formuliert sein?

Hat sich der Arbeitgeber gegen die Einstellung eines schwerbehinderten Bewerbers entschieden, muss er bei der Mitteilung dieser Entscheidung bestimmte gesetzliche Vorgaben beachten. Das Gesetz unterscheidet dabei, ob eine formlose Absage genügt oder ob die Entscheidung begründet werden muss.

  • Formlose Absage: Eine formlose Absage, wie sie auch nicht schwerbehinderten Bewerbern gegenüber üblich ist, genügt nur dann, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
    – Die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebs- oder Personalrat (sofern vorhanden) sind mit der Ablehnung des Bewerbers einverstanden.
    – Der Arbeitgeber erfüllt seine gesetzliche Beschäftigungspflicht nach § 154 SGB IX. (Private und öffentliche Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich mindestens 20 Arbeitsplätzen sind gesetzlich verpflichtet, auf wenigstens 5 % dieser Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Erfüllen sie diese Quote nicht, müssen sie eine monatliche Ausgleichsabgabe zahlen.)
  • Begründete Absage: Eine ausführliche Begründung der Ablehnung ist hingegen erforderlich, wenn mindestens eine der folgenden Bedingungen zutrifft:
    – Die Schwerbehindertenvertretung und/oder der Betriebsrat/Personalrat sind mit der beabsichtigten Ablehnung nicht einverstanden.
    – Der Arbeitgeber erfüllt seine Beschäftigungsquote nicht.
    In diesem Fall muss der Arbeitgeber seine Entscheidung unter Angabe der Gründe mit den beteiligten Gremien (Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrat/Personalrat) erörtern. Auch der betroffene schwerbehinderte Bewerber wird hierbei angehört. Hält der Arbeitgeber auch nach dieser Erörterung an seiner Entscheidung fest, muss er alle Beteiligten unverzüglich unter Darlegung der Gründe über die getroffene Entscheidung unterrichten.

Welche Folgen drohen bei Pflichtverstößen?

Die Missachtung der beschriebenen Verfahrensvorschriften zugunsten schwerbehinderter Bewerber ist für Arbeitgeber keineswegs ein Kavaliersdelikt. Verstöße können verschiedene, teils empfindliche rechtliche und finanzielle Nachteile nach sich ziehen.

  • Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats (§ 99 BetrVG): Hat der Arbeitgeber einen nicht schwerbehinderten Bewerber für die Stelle ausgewählt und die Verfahrensvorschriften des § 164 Abs. 1 SGB IX missachtet, kann der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung des ausgewählten Bewerbers nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigern. Dies blockiert die Einstellung und kann den gesamten Besetzungsprozess erheblich verzögern.
  • Ordnungswidrigkeit und Bußgeld (§ 238 SGB IX): Eine nicht ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung oder des Betriebs-/Personalrats kann zudem eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann.
  • Entschädigungsanspruch: Die in der Praxis wohl wichtigste und für Arbeitgeber riskanteste Folge eines Verfahrensverstoßes ist die Möglichkeit für den abgelehnten schwerbehinderten Bewerber, einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG geltend zu machen. Verstößt der Arbeitgeber gegen die genannten Pflichten, wird die Diskriminierung grundsätzlich vermutet. Die Höhe der Entschädigung beträgt bis zu drei Monatsgehälter, wenn der Bewerber die Stelle auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte.

Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen: Wir beraten Arbeitgeber und Bewerber

Die Einhaltung der besonderen Verfahrensrechte im Bewerbungsprozess mit schwerbehinderten Menschen erfordert Sorgfalt und spezifisches Wissen. Fehler können für Arbeitgeber zu empfindlichen Sanktionen führen, während Bewerber ihre Rechte kennen müssen, um sie erfolgreich geltend zu machen.

Als spezialisierte Fachanwälte für Arbeitsrecht in Hamburg bieten wir umfassende Beratung und Vertretung für beide Seiten rund um dieses sensible Thema. Wir helfen Ihnen, Fallstricke zu erkennen und Ihre Interessen durchzusetzen.

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Muss ich einen schwerbehinderten Bewerber zum Bewerbungsgespräch einladen?

Als privater Arbeitgeber müssen Sie schwerbehinderte Bewerber nicht zum Bewerbungsgespräch einladen. Nur für öffentliche Arbeitgeber (z.B. Behörden) besteht eine Einladungspflicht, wenn die fachliche Eignung nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.

Sind schwerbehinderte Bewerber bevorzugt einzustellen?

Nein, schwerbehinderte Bewerber müssen unter mehreren Bewerbern nicht bevorzugt eingestellt werden. Das gilt auch für interne Stellenausschreibungen.

Darf der Arbeitgeber den Bewerber nach der Schwerbehinderung fragen?

Wird die Schwerbehinderung von dem Bewerber oder Arbeitnehmer nicht von sich aus offenbart, darf der Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren nicht danach fragen.

Wie hoch sind die Entschädigungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?

Die Entschädigung für eine Diskriminierung im Bewerbungsverfahren beträgt maximal drei Monatsgehälter, wenn der Bewerber auch bei diskriminierungsfreiem Verfahren nicht eingestellt worden wäre. Wäre der Bewerber ohne Diskriminierung eingestellt worden, kann die Entschädigung höher sein.

Wie lange kann ich Ansprüche wegen einer Diskriminierung im Bewerbungsverfahren geltend machen?

Die Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Schadensersatz und Entschädigung beträgt zwei Monate und beginnt mit dem Zugang der Ablehnung der Bewerbung. Nachdem der Anspruch innerhalb dieser Zwei-Monats-Frist schriftlich geltend gemacht wurde, muss er innerhalb weiterer drei Monate eingeklagt werden, um nicht zu verfallen.

Häufig gestellte fragen

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