Weitere detaillierte Informationen zu diesem Thema finden Sie im Beitrag unseres Partners und Fachanwalt für Arbeitsrecht Pascal Verma (gemeinsam mit David K. Takacs) im Betriebsberater Heft 5/2021.
Fortbildung vom Arbeitgeber bezahlt bekommen? Rückzahlungsvereinbarungen können für Arbeitnehmer schnell zur Kostenfalle werden.
Ihr Arbeitgeber investiert in Ihre umfangreiche Weiterbildung oder Ihr langjähriges Studium – etwa zum Piloten, Intensivpfleger, Psychotherapeuten, oder auch zum Steuerberater und Wirtschaftsprüfer – zahlt Ihnen eine Sonderzahlung (z.B. Weihnachtsgeld), übernimmt Umzugskosten oder lockt mit einem Signing Bonus? Das klingt gut, ist aber oft mit einer Rückzahlungsklausel (auch Bindungsklausel genannt) verbunden, gerade wenn es um erhebliche Ausbildungskosten geht. Die Idee des Arbeitgebers: Wenn Sie das Unternehmen innerhalb einer bestimmten Frist verlassen, sollen Sie die erhaltenen Leistungen oder die hohen Kosten ganz oder teilweise zurückzahlen. Aber Achtung: Viele Rückzahlungsklauseln, insbesondere auch bei solch kostspieligen und langwierigen Qualifikationen, sind unwirksam.
Diese Klauseln sind meist Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die Ihr Arbeitgeber vorgibt. Deshalb unterliegen sie strengen rechtlichen Kontrollen (§§ 305 ff. BGB) und dürfen Sie als Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Streit entsteht häufig erst, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildungskosten nach der Kündigung zurückzahlen soll.
Hier erfahren Sie, was Sie über Rückzahlungsklauseln wissen müssen, welche Fallstricke es gibt und wann Sie sich erfolgreich wehren können.
I. Wann sind Rückzahlungsklauseln überhaupt zulässig?
Damit eine Rückzahlungsklausel wirksam ist, müssen grundlegende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Transparenz und Klarheit: Die Klausel muss klar und verständlich formuliert sein. Sie muss genau angeben, welche Kosten in welcher Höhe unter welchen Bedingungen zurückzuzahlen sind. Sie darf nicht überraschend im Vertrag versteckt sein (z.B. im Kleingedruckten ohne Hervorhebung), sondern sollte klar erkennbar sein (z.B. eigener Paragraph mit aussagekräftiger Überschrift).
- Zeitpunkt der Vereinbarung: Die Vereinbarung (z.B. Fortbildungsvertrag, Zusatzvereinbarung zur Gratifikation oder zum Arbeitsvertrag) muss vor Beginn der Maßnahme, vor Auszahlung der Sonderzahlung oder vor dem Umzug etc. abgeschlossen werden. Eine nachträgliche Vereinbarung ist in der Regel nicht ohne Weiteres wirksam.
- Echter Vorteil für Sie: Die Kostenübernahme oder Sonderleistung muss Ihnen einen wirklichen, geldwerten Vorteil bringen, der auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nutzbar ist. Reine Einarbeitungskosten oder Schulungen für rein betriebsinterne Abläufe rechtfertigen in der Regel keine Bindungsklausel. Der Arbeitgeber muss ein berechtigtes Interesse daran haben, dass Sie dieses neu erworbene Wissen oder die Investition eine Zeit lang im Betrieb nutzen können.
II. Welche Kosten dürfen von Rückzahlungsklausel überhaupt erfasst werden?
Nicht alle Kosten, die der Arbeitgeber aufwendet, dürfen einfach auf Sie umgelegt werden:
- Erfasste Kosten: Nur tatsächlich angefallene Kosten, die Ihnen einen Vorteil bringen, können Teil der Klausel sein. Dazu gehören typischerweise:
- Lehrgangs- und Prüfungsgebühren
- Fahrt- und Übernachtungskosten während der Weiterbildung
- Ihr Gehalt während einer bezahlten Freistellung
- Ausgezahlte Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Signing Boni)
- Übernommene Studiengebühren
- Nachweisbare Umzugskosten
- Begrenzung: Der Arbeitgeber kann maximal den in der Vereinbarung konkret genannten oder bestimmbaren Betrag zurückfordern, auch wenn seine tatsächlichen Kosten höher waren. Eine Obergrenze muss klar sein.
- Keine reinen Einarbeitungskosten: Kosten für die normale Einarbeitung oder für Schulungen, die primär dem betrieblichen Interesse dienen und Ihnen keinen allgemeinen Vorteil verschaffen, dürfen nicht über Rückzahlungsklauseln abgesichert werden.
III. Wie lange darf die Bindungsdauer einer Rückzahlungsvereinbarung sein und wie reduziert sich der Rückzahlungsbetrag?
Die Dauer, für die Sie an das Unternehmen gebunden werden können, ist nicht unbegrenzt. Sie muss im Verhältnis zum Wert und zur Dauer der Leistung stehen. Die Rechtsprechung hat hier Richtwerte entwickelt (Beispiele für Fortbildungen):
Freistellung zur Fortbildung | Maximale Bindungsdauer |
Fortbildungsdauer 1 Monat | Bindung bis 6 Monate |
Fortbildungsdauer 2 Monate | Bindung bis 1 Jahr |
Fortbildungsdauer 3-4 Monate | Bindung bis 2 Jahre |
Fortbildungsdauer 6-12 Monate | Bindung bis 3 Jahre Oft bei umfangreichen Weiterbildungen zum Intensivpfleger oder Wirtschaftsprüfer |
Fortbildungsdauer über 24 Monate | Bindung bis 5 Jahre Nur im Ausnahmefall bei sehr hohen Kosten und erheblichem Vorteil für Arbeitnehmer möglich. Dies kann beispielsweise bei der Finanzierung von sehr teuren und langwierigen Ausbildungen wie der zum Verkehrspiloten oder Ingenieur relevant werden, wo die Investition des Arbeitgebers besonders hoch ist. |
Wichtig: Die anteilige Reduzierung (Amortisation). Der zurückzuzahlende Betrag muss sich während der Bindungsdauer fair und zeitanteilig verringern. Für jeden Monat/jedes Jahr, das Sie nach der Maßnahme/Zahlung im Betrieb bleiben, „arbeiten“ Sie einen Teil der Kosten ab.
- Berechnungsbeispiel: Ihr Arbeitgeber zahlt eine Fortbildung für EUR 2.400. Die Bindungsdauer wird auf 24 Monate festgelegt. Für jeden Monat der Betriebstreue nach der Fortbildung verringert sich der Rückzahlungsbetrag um 1/24, also um EUR 100 (EUR 2400 / 24 Monate). Verlassen Sie das Unternehmen nach 12 Monaten, müssten Sie (wenn die Klausel sonst wirksam ist und der Trennungsgrund passt) noch EUR 1.200 zurückzahlen.
- Unwirksamkeit bei fehlender Regelung: Eine Klausel, die diese anteilige Reduzierung nicht vorsieht oder die auch kurz vor Ende der Bindungsfrist noch die volle Rückzahlung verlangt, ist unwirksam.
IV. Der häufigste Streitpunkt: In welchen Fällen muss der Arbeitnehmer die Fortbildungskosten erstatten?
Hier liegt der Kern vieler unwirksamer Klauseln! Eine Rückzahlungspflicht darf nur dann ausgelöst werden, wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses klar und eindeutig Ihrer Verantwortungssphäre zuzuordnen ist.
- Zulässige Gründe (sofern wirksam und klar formuliert):
- Sie kündigen selbst, ohne dass der Arbeitgeber Ihnen einen Anlass dafür gegeben hat (ungerechtfertigte Eigenkündigung).
- Der Arbeitgeber kündigt Ihnen aus wichtigem Grund fristlos oder ordentlich verhaltensbedingt, weil Sie eine Pflichtverletzung begangen haben.
- Ein Aufhebungsvertrag wird auf Ihren ausdrücklichen Wunsch oder zur Abwendung einer ansonsten berechtigten verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber geschlossen.
- Unzulässige Gründe – Hier müssen Sie in der Regel NICHT zahlen (auch wenn die Klausel das nicht klar ausschließt!):
- Der Arbeitgeber kündigt Ihnen aus betriebsbedingten Gründen (z.B. Stellenabbau, Umstrukturierung).
- Der Arbeitgeber kündigt Ihnen aus personenbedingten Gründen, die Sie nicht zu vertreten haben (insbesondere Krankheit). Das hat das Bundesarbeitsgericht mehrfach bestätigt (z.B. BAG, Urteil vom 01.03.2022, Az.: 9 AZR 260/21).
- Sie kündigen selbst, weil der Arbeitgeber Ihnen einen Anlass dafür gegeben hat (z.B. ausbleibende Gehaltszahlung, erhebliche Vertragsverletzungen durch den Arbeitgeber, Mobbing).
- Ihr befristeter Vertrag läuft aus und wird nicht verlängert.
- Sie werden während der Probezeit gekündigt.
Achtung: Typische Fehler in Rückzahlungsklauseln, die zur Unwirksamkeit führen können:
- Pauschale Formulierungen: Klauseln, die eine Rückzahlung “bei jeder Beendigung”, “bei Kündigung durch den Arbeitnehmer” oder “bei Beendigung auf Wunsch des Arbeitnehmers” vorsehen, sind insgesamt unwirksam, weil sie nicht klar zwischen den zulässigen und unzulässigen Gründen für die Beendigung unterscheiden (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 11.10.2019, Az.: 1 Sa 503/19).
- Keine Ausnahme für unverschuldete Gründe: Wenn die Klausel nicht klarstellt, dass Sie bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber aus betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen (Krankheit!) nicht zahlen müssen, ist sie regelmäßig unwirksam. Ein Fehler macht die ganze Rückzahlungspflicht unwirksam.
- Fehlende oder unklare ratierliche Minderung: Die Pflicht zur anteiligen Reduzierung des Betrags muss klar geregelt sein.
- Überlange Bindungsdauer: Eine Bindungsdauer, die im Verhältnis zur Dauer/Wert der Leistung unangemessen lang ist.
- Unklare Kostenaufstellung: Wenn nicht klar ist, welche Kosten genau zurückgefordert werden können.
V. Besonderheiten bei Ausbildung und Studium
Übernimmt der Arbeitgeber die Kosten für Ihre Erstausbildung (im Rahmen des BBiG) oder ein duales Studium, gelten noch strengere Regeln:
- BBiG (§ 12): Vereinbarungen, die Auszubildende nach der Ausbildung in ihrer beruflichen Tätigkeit beschränken (z.B. durch Rückzahlungsklauseln für Ausbildungskosten), sind grundsätzlich verboten, wenn sie die Berufswahl oder -ausübung erschweren. Ausnahmen können eng begrenzt für nicht-betriebliche Kosten (z.B. externe Lehrgangskosten, Internatskosten) gelten, aber nicht für die normale Ausbildungsvergütung oder innerbetriebliche Ausbildung.
- Studiengebühren: Kosten für ein (duales) Studium, das nicht unter das BBiG fällt, können grundsätzlich über Rückzahlungsklauseln abgesichert werden, aber auch hier gelten die allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen (insb. klare Formulierung der Rückzahlungsfälle, Amortisation).
- Angebot zur Weiterbeschäftigung: Eine Rückzahlungspflicht nach Ausbildung oder Studium kann nur entstehen, wenn der Arbeitgeber Ihnen bei Abschluss der Vereinbarung ein konkretes Angebot zur Weiterbeschäftigung macht oder dies zumindest klar beabsichtigt war und Ihnen die wesentlichen Konditionen (Art der Tätigkeit, Ort, Gehalt) bekannt sind oder bestimmbar waren.
VI. Rückforderungsschreiben erhalten – Was jetzt? Praktische Schritte & Tipps
Wenn Ihr (Ex-)Arbeitgeber Geld von Ihnen zurückfordert:
- Ruhe bewahren & Fristen prüfen: Notieren Sie sich, bis wann Sie reagieren sollen. Handeln Sie nicht überstürzt.
- Vereinbarung genau lesen: Prüfen Sie die Klausel anhand der oben genannten Punkte: Ist sie transparent? Ist die Bindungsdauer angemessen? Ist die anteilige Reduzierung geregelt? Sind die Kündigungsgründe differenziert?
- Keine vorschnellen Zahlungen oder Ratenzahlungsvereinbarungen: Zahlen Sie nicht, bevor die Rechtmäßigkeit der Forderung geklärt ist. Eine Ratenzahlungsvereinbarung kann als Anerkenntnis der Schuld geregelt werden.
- Einbehalt vom Lohn prüfen: Darf der Arbeitgeber die Forderung einfach vom letzten Gehalt oder der Urlaubsabgeltung abziehen (aufrechnen)? Das ist nur sehr eingeschränkt möglich, insbesondere nicht mit dem unpfändbaren Teil Ihres Lohns (§ 394 BGB). Das müssen Sie nicht akzeptieren, unabhängig von der Wirksamkeit der Regelung.
- Anwaltliche Beratung suchen: Der wichtigste Schritt! Lassen Sie die Klausel und die Situation von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht oder Ihrer Gewerkschaft prüfen. Nur so bekommen Sie eine verlässliche Einschätzung Ihrer Rechte und der Wirksamkeit der Klausel.
- Verjährung beachten: Der Arbeitgeber kann die Forderung nicht ewig geltend machen. Der Anspruch auf Rückzahlung verjährt in der Regel nach drei Jahren (§ 195 BGB), beginnend am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (meist das Jahr Ihres Ausscheidens). Haben Sie bereits auf die Forderung geleistet, können Sie die Zahlung zurück verlangen, wenn die Rückzahlungsklausel unwirksam war. Auch dafür haben Sie in der Regel drei Jahre Zeit.
VII. Steuerliche Behandlung der Rückzahlung
Müssen Sie tatsächlich Kosten zurückzahlen, können Sie diese Zahlung in Ihrer Steuererklärung oft als Werbungskosten geltend machen, wenn die ursprüngliche Leistung (Fortbildung, Gehalt während Freistellung) bei Ihnen als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt wurde. Bewahren Sie alle Belege gut auf und besprechen Sie dies ggf. mit einem Steuerberater.
Fazit: Prüfen lassen, bevor Sie zahlen!
Rückzahlungsklauseln sind ein komplexes Thema mit vielen Fallstricken – oft sind sie unwirksam. Zahlen Sie nicht vorschnell und lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Eine anwaltliche Prüfung ist fast immer sinnvoll und kann Ihnen viel Geld sparen.
Unsere Expertise – Ihr Vorteil: Profitieren Sie von unserer Erfahrung auf beiden Seiten
Rückzahlungsklauseln sind ein komplexes Feld im Arbeitsrecht, bei dem viel auf dem Spiel steht – oft Ihr Geld. Fehlerhafte Klauseln sind häufig, aber sie zu erkennen und erfolgreich anzugreifen, erfordert Fachwissen und Erfahrung.
Wir kennen beide Seiten der Medaille: Als Fachanwälte für Arbeitsrecht in Hamburg beraten wir nicht nur Arbeitnehmer bei der Abwehr von unberechtigten Forderungen – insbesondere auch wenn es um hohe Summen nach kostspieligen Ausbildungen (z.B. für Piloten, Mediziner, Therapeuten, Berater, Softwareentwickler) geht – sondern unterstützen auch Arbeitgeber bei der rechtssicheren Gestaltung von Fortbildungs- und anderen Vereinbarungen mit Rückzahlungsklauseln – bundesweit. Unsere Fachartikel zu diesem Thema sind in der juristischen Literatur vielfach zitiert.
Ihr Vorteil: Dieses umfassende Wissen über die typischen Fallstricke, die aktuelle Rechtsprechung und die Argumentationslinien beider Seiten setzen wir gezielt für Sie ein. Wir wissen, wo Arbeitgeber Fehler machen wie diese Fehler Ihre Klausel unwirksam machen können und wie man dies zu Ihren Gunsten nutzt, um unberechtigte Zahlungen abzuwehren.
Warten Sie nicht, bis es zu spät ist:
- Droht Ihnen eine Rückzahlung? Wurden Sie zur Zahlung aufgefordert oder befürchten Sie, dass eine Klausel in Ihrem Vertrag greifen könnte?
- Sind Sie unsicher über die Wirksamkeit Ihrer Klausel? Möchten Sie wissen, ob Sie wirklich zahlen müssen?
Kontaktieren Sie uns für eine fundierte Erstberatung, telefonisch oder über das Kontaktformular:
Nutzen Sie unsere Expertise, um Ihre Rechte zu wahren und unberechtigte Forderungen abzuwehren. Wir prüfen Ihre individuelle Situation und die Wirksamkeit der Klausel und entwickeln gemeinsam mit Ihnen die beste Strategie – sei es die Zurückweisung der Forderung, die Verhandlung einer fairen Lösung oder die Vertretung vor Gericht. Wir klären Sie im Rahmen der Erstberatung transparent über mögliche Kosten auf, bevor diese entstehen.