Bewerbungsverfahren
Aktualisiert am: 3. November 2025
Lesezeit: ca. 8 Minuten
Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste in kürze

→ Ein rechtssicheres Bewerbungsverfahren ist für Arbeitgeber sehr wichtig.
→ Verstöße können zu Geldstrafen führen oder dazu, dass Arbeitnehmer nicht gekündigt werden können.
→ Besondere Bedeutung haben zulässige Fragen im Bewerbungsverfahren, das Unterlassen von Diskriminierung & der Datenschutz.

Worauf müssen Arbeitgeber im Rahmen des Bewerbungsverfahrens achten?

Das Bewerbungsverfahren für eine Stelle ist für Arbeitgeber von hoher Bedeutung. Einerseits soll die Position mit dem Kandidaten besetzt werden, der für die Stelle am besten geeignet ist. Andererseits gibt es für Arbeitgeber viele rechtliche Vorgaben zu beachten, die teilweise erhebliche Haftungsrisiken beinhalten. Folgende Punkte sollten Arbeitgeber deshalb im Rahmen des Bewerbungsverfahrens im Blick haben:

  • Betriebsrat: Der Betriebsrat hat einige Möglichkeiten, das Bewerbungsverfahren zu beeinflussen. Beispielsweise kann der Betriebsrat verlangen, dass Stellen zunächst intern ausgeschrieben werden.
  • Kosten: Grundsätzlich müssen Arbeitgeber die Kosten des Bewerbungsverfahren tragen.
  • AGG: In Deutschland ist es unzulässig, zu diskriminieren. Die rechtlichen Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) prägen das Bewerbungsverfahren maßgeblich.
  • Zulässige Fragen: Arbeitgeber möchten ein möglichst umfassendes Bild des Bewerbers bekommen. Allerdings sind nicht alle Fragen im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens zulässig.
  • Datenschutz: Bewerber offenbaren Arbeitgebern viele persönliche Daten, sodass Arbeitgeber mit den erhaltenen Daten gesetzeskonform umgehen müssen.

Siehe zu den Besonderheiten bei Bewerbungen Schwerbehinderter.

Welche Anforderungen stellt das AGG an Stellenanzeigen?

Nach § 11 AGG muss ein Arbeitsplatz diskriminierungsfrei ausgeschrieben werden. Das bedeutet, die Ausschreibung darf keine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (§ 1 AGG) beinhalten.

  • Direkte Diskriminierung vermeiden: Formulierungen, die direkt auf eines dieser Merkmale abzielen, sind unzulässig. Beispiel (fehlerhaft): „Junge, dynamische Verkäuferin für unser expandierendes Team gesucht.“ (Diskriminierung wegen Alters und Geschlechts, auch wenn der Kontext eine Präferenz suggeriert), besser: „Engagierte Verkaufskraft (m/w/d) für unser expandierendes Team gesucht.“
  • Mittelbare Diskriminierung erkennen: Eine Diskriminierung kann auch mittelbar vorliegen, wenn scheinbar neutrale Anforderungen gestellt werden, die bestimmte Personengruppen überproportional ausschließen, ohne dass dies sachlich zwingend geboten ist. Beispiel (potenziell fehlerhaft): „Verkäufer im Einzelhandel (m/w/d) mit muttersprachlichen Deutschkenntnissen gesucht.“ (Könnte Personen mit Migrationshintergrund benachteiligen, wenn nicht für die Tätigkeit zwingend erforderlich). Besser: „mit sehr guten Deutschkenntnissen“.

Eine unterschiedliche Behandlung aufgrund eines AGG-Merkmals ist nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig, wenn dieses Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist (§ 8 AGG).

  • Beispiel (anerkannt): Die Suche nach einer weiblichen Betreuungskraft für ein Frauenhaus oder einem Schauspieler einer bestimmten ethnischen Herkunft für eine spezifische Rolle. Die Anforderungen müssen jedoch stets im Einzelfall geprüft werden.

Tipps für Arbeitgeber:

  • Formulierung: Formulieren Sie Stellenausschreibungen konsequent neutral und tätigkeitsbezogen, nicht personenbezogen. Vermeiden Sie Adjektive wie „jung“, „dynamisch“, „Berufseinsteiger“, wenn sie indirekt auf Alter oder andere Merkmale schließen lassen könnten. Verwenden Sie stets den Zusatz (m/w/d).
  • Anforderungsprofil: Stellen Sie nur Anforderungen, die für die konkrete Tätigkeit tatsächlich erforderlich sind.
  • Dokumentation: Dokumentieren Sie Ihre Auswahlkriterien und Entscheidungen nachvollziehbar, um im Streitfall belegen zu können, dass nichtdiskriminierende Gründe ausschlaggebend waren.
  • Schulung: Sensibilisieren Sie Ihre Personalverantwortlichen und Führungskräfte für die AGG-Thematik.
  • Kostenrisiko: Unterschätzen Sie nicht das finanzielle Risiko. Bei einer AGG-Verletzung drohen hohe Schadensersatz- und Entschädigungszahlungen (oft drei Monatsgehälter, selbst wenn der Bewerber die Stelle ohnehin nicht bekommen hätte).

Wer trägt die Kosten im Rahmen des Bewerbungsverfahrens?

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Kosten für das Bewerbungsverfahren, wenn der Arbeitgeber den Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einlädt. Kosten fallen hierbei etwa für die Anreise oder eine etwaige Übernachtung an. Grundsätzlich gilt nach § 670 BGB analog: Hat der Arbeitgeber den Bewerber zur Vorstellung aufgefordert, ist er verpflichtet, dem Bewerber die notwendigen Vorstellungskosten zu ersetzen – unabhängig davon, ob es später zu einem Arbeitsverhältnis kommt.

Tipps für Arbeitgeber:

  • Ausschluss: Möchten Sie die Übernahme von Vorstellungskosten ausschließen, müssen Sie dies ausdrücklich und rechtzeitig vor dem Vorstellungstermin erklären, idealerweise bereits im Einladungsschreiben zum Vorstellungsgespräch. Ein pauschaler Ausschluss in Ihren AGB könnte unwirksam sein.
  • Umfang: Klären Sie im Vorfeld, welche Kosten als „notwendig“ gelten und in welcher Höhe sie erstattet werden (z.B. Bahnticket 2. Klasse, Kilometerpauschale bei PKW-Anreise).

Welche Fragen dürfen Arbeitgeber stellen?

Der Arbeitgeber darf nur nach Umständen fragen, an deren Kenntnis er im Hinblick auf die zu besetzende Stelle und die Entscheidung über die Einstellung ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse hat. Die Fragen müssen also einen klaren Bezug zur Eignung für die Tätigkeit aufweisen. Fragen, die in keinem Zusammenhang mit der beruflichen Eignung stehen und die Privatsphäre des Bewerbers unverhältnismäßig verletzen oder diskriminierend sind, sind unzulässig.

  • Zulässige Frage: Beantwortet ein Bewerber eine zulässige Frage bewusst falsch und der Arbeitgeber stellt dies später (ggf. erst nach Vertragsschluss) fest, kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag möglicherweise wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 BGB).
  • Unzulässige Frage: Bei einer unzulässigen Frage hat der Bewerber hingegen ein sogenanntes „Recht zur Lüge“. Eine Falschbeantwortung einer unzulässigen Frage stellt keine widerrechtliche Täuschung dar und berechtigt den Arbeitgeber nicht zur Anfechtung. Dass der Bewerber auch hätte schweigen können, ist kein Argument, da dies in der Praxis oft zur Nichtberücksichtigung führen würde.

In den folgenden Fällen liegt beispielsweise eine unzulässige Frage vor:

  • Frage nach einer Schwangerschaft.
  • Eine pauschale Frage nach bestehenden Vorstrafen ist grundsätzlich unzulässig.
  • Eine Frage zur sexuellen Orientierung.

Tipps für Arbeitgeber:

  • Vorbereitung: Bereiten Sie Vorstellungsgespräche sorgfältig vor und überlegen Sie genau, welche Informationen für die Eignungsbeurteilung wirklich relevant sind. Formulieren Sie Ihre Fragen präzise.
  • Dokumentation: Dokumentieren Sie wichtige Fragen und die Antworten des Bewerbers (sachlich und datenschutzkonform).
  • Privatsphäre beachten: Stellen Sie keine Fragen, die in die Intim- oder Privatsphäre eingreifen oder auf AGG-Merkmale abzielen, es sei denn, es liegt eine zwingende berufliche Anforderung vor.

Datenschutz im Bewerbungsverfahren

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG, insbesondere § 26 BDSG zur Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses) setzen klare Regeln für den Umgang mit personenbezogenen Daten von Bewerbern. Ein sorgfältiger Umgang mit diesen sensiblen Informationen ist für Arbeitgeber nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern auch ein Zeichen von Professionalität und Wertschätzung gegenüber potenziellen Mitarbeitern.

  • Erforderlich: Die Verarbeitung von Bewerberdaten ist zulässig, wenn sie für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist (§ 26 Abs. 1 BDSG). Dies umfasst die Prüfung der Eignung und Qualifikation.
  • Informationspflicht: Arbeitgeber müssen Bewerber darüber informieren, welche ihrer Daten zu welchem Zweck, auf welcher Rechtsgrundlage und wie lange verarbeitet bzw. gespeichert werden. Diese Informationen sollten idealerweise bereits mit der Eingangsbestätigung der Bewerbung oder in der Datenschutzerklärung auf der Karrierewebseite bereitgestellt werden.
  • Löschung: Bewerbungsunterlagen abgelehnter Kandidaten dürfen in der Regel nur so lange aufbewahrt werden, wie es zur Abwehr möglicher Ansprüche (z.B. aus dem AGG, meist 2-6 Monate nach Ablehnung) erforderlich ist. Danach sind sie zu löschen oder zu vernichten. Eine längere Aufbewahrung (z.B. für einen Talentpool) bedarf der ausdrücklichen Einwilligung des Bewerbers. Wird ein Bewerber eingestellt, werden die relevanten Bewerbungsunterlagen Teil der Personalakte und unterliegen dann den dort geltenden Aufbewahrungsfristen.
  • Initiativbewerbungen: Auch hier gelten die Datenschutzprinzipien. Ist aktuell keine passende Stelle frei, muss der Bewerber darüber informiert und um Einwilligung gebeten werden, falls seine Daten für zukünftige Vakanzen gespeichert werden sollen. Ansonsten sind die Daten nach angemessener Prüfungsfrist zu löschen. Zieht ein Bewerber seine Bewerbung selbst zurück, sind seine Bewerbungsunterlagen in der Regel unverzüglich zu löschen.
  • Social-Media-Screening:  Das Sichten von öffentlich zugänglichen Profilen in beruflichen Netzwerken (z.B. LinkedIn, Xing) kann im Rahmen der Eignungsprüfung zulässig sein. Umfassende Background-Checks (z.B. über Drittanbieter) sind nur unter sehr engen Voraussetzungen und oft nur mit Einwilligung zulässig.
  • Rechte der Bewerber: Bewerber haben das Recht auf Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten, auf Berichtigung unrichtiger Daten, auf Löschung (unter bestimmten Voraussetzungen) und auf Widerspruch gegen die Verarbeitung.

Wir unterstützen Arbeitgeber und Bewerber

Ein rechtssicheres und faires Bewerbungsverfahren ist die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Doch die gesetzlichen Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und den Datenschutz (DSGVO), sind komplex und fehleranfällig. Sowohl Arbeitgeber als auch Bewerber sollten ihre Rechte und Pflichten genau kennen.

Als spezialisierte Fachanwälte für Arbeitsrecht in Hamburg stehen wir Ihnen mit umfassender Expertise zur Seite, um Fallstricke zu vermeiden und Ihre Interessen optimal zu wahren. Nehmen Sie jetzt Kontakt mit uns auf für eine fundierte Erstberatung.

FAQ

Wie sollte eine Stellenausschreibung formuliert sein?

Die Stellenausschreibung sollte das Anforderungsprofil an die Stelle klar und präzise enthalten. Sie muss so formuliert sein, dass sie keine diskriminierenden Formulierungen enthält.

Was droht, wenn die Stellenausschreibung diskriminierend formuliert ist?

Bewerber, die nicht angestellt wurden, können Entschädigungszahlungen oder Schadensersatz verlangen. Wegen der diskriminierenden Formulierung wird gesetzlich vermutet, dass eine unzulässige Benachteiligung vorlag.

Welche Fragen sind im Bewerbungsgespräch unzulässig?

Fragen sind dann unzulässig, wenn an der Antwort kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht. Das sind z.B. Fragen nach einer Schwangerschaft, Vorstrafen, die mit der Tätigkeit nichts zu tun haben oder eine Schwerbehinderung.

Darf ich bei einer unzulässigen Frage im Bewerbungsgespräch lügen?

Ja, eine unzulässige Frage müssen Sie überhaupt nicht beantworten oder Sie dürfen lügen.

Muss der Arbeitgeber mir die Anfahrt und Unterkunft zum Bewerbungsgespräch zahlen?

Ja, grundsätzlich muss der Arbeitgeber die Kosten des Bewerbungsverfahrens übernehmen. Der Arbeitgeber kann dies aber im Voraus ausschließen.

Häufig gestellte fragen

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