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Wann verfällt der Zusatzurlaub eines Schwerbehinderten?

Das LAG Niedersachsen setzt sich im Urteil vom 16. Januar 2019 zum Az.: 2 Sa 567/18 mit folgender Fragestellung auseinandersetzen: „Wann verfällt der Zusatzurlaub eines Schwerbehinderten? Mit dem Urteil vom 6. November 2018 hat der EuGH entschieden, dass der gesetzliche Mindesturlaub nur dann mit Ablauf des Urlaubsjahres verfallen kann, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter zuvor konkret und in völliger Transparenz tatsächlich in die Lage versetzt hat, den gesetzlichen Mindesturlaub in Anspruch zu nehmen.

Der Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs setzt also zum einen voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auffordert seinen Urlaub zu nehmen. Zum anderen muss er den Arbeitnehmer aufklären, dass der Urlaub am Ende des Urlaubsjahres verfallen wird, wenn er den Urlaub nicht in Anspruch nimmt. Im Streitfall muss der Arbeitgeber die Aufforderung und die Aufklärung beweisen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 19. Februar 2019 zum Az.: 9 AZR 541/15 seine anderslautende Rechtsprechung zwischenzeitlich aufgegeben.

Das Urteil des EuGH und die ihm folgende neue Rechtsprechung des BAG beziehen sich ausdrücklich aber nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub. Bei einer vertraglich ausgestalteten Differenzierung zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und vertraglichen Zusatzurlaub können für den vertraglichen Zusatzurlaub von der Rechtsprechung abweichende Voraussetzungen für den Verfall vorgesehen werden.

Und was ist mit dem Zusatzurlaub eines Schwerbehinderten nach § 208 SGB IX? Schwerbehinderte erhalten immerhin einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr.

Das LAG Niedersachsen ist in seinem Urteil vom 16. Januar 2019 zum Az.: 2 Sa 567/18 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Rechtsprechung des EuGH zum gesetzlichen Mindesturlaub auch auf den Zusatzurlaub von Schwerbehinderten zu übertragen ist. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer also nicht zwingen, den Schwerbehindertenzusatzurlaub tatsächlich wahrzunehmen. Er muss den Arbeitnehmer aber durch die vom EuGH vorgesehene Aufklärung und den Hinweis auf die Folgen des Ablaufs des Urlaubsjahres auch in Bezug auf den Schwerbehindertenzusatzurlaub zumindest in die Lage versetzen, den Schwerbehindertenzusatzurlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen, wenn er sich auf den Verfall berufen möchte.

Fazit und Handlungsempfehlung

Der Verfall des Urlaubsanspruchs ist durch die Rechtsprechung des EuGH an eine weitere Voraussetzung geknüpft worden. Diese Voraussetzung ist bei allen Urlaubsarten zu berücksichtigen, bei denen im Gesetz oder im Vertrag nicht zum gesetzlichen Mindesturlaub unterschieden wird.

Die Mindestmaßnahmen, die der Arbeitgeber ergreifen muss, muss die Rechtsprechung zwar im Detail noch herausarbeiten. Es spricht aber sehr vieles dafür, dass sich ein Arbeitgeber auf den Verfall der Urlaubsansprüche berufen kann, wenn

  • er den Arbeitnehmer rechtzeitig auf den noch bestehenden Jahresurlaubsanspruch einschließlich eines etwaigen Schwerbehindertenzusatzurlaubs hinweist,
  • er den Arbeitnehmer auffordert, den noch bestehenden Jahresurlaubsanspruch einschließlich des etwaigen Schwerbehindertenzusatzurlaubs innerhalb des Bezugszeitraums in Anspruch zu nehmen
  • und er den Arbeitnehmer belehrt, dass der nicht in Anspruch genommene Jahresurlaubsanspruch einschließlich des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach Ablauf des Bezugszeitraums verfällt.

Aufgrund der Beweislast des Arbeitgebers ist zudem zu empfehlen, die zuvor genannten Maßnahmen schriftlich auszuführen oder zu dokumentieren und sich vom Arbeitnehmer bestätigen zu lassen.

Ferner sollten die bisher verwendeten Vereinbarungen zum Urlaub in Arbeitsverträgen auf den Prüfstand gestellt werden und in Arbeitsverträgen nur noch Regelungen verwendet werden, die zwischen den verschiedenen Urlaubsarten (gesetzlicher Mindesturlaub, vertraglicher Zusatzurlaub, etc.) unterscheiden. Für den vertraglichen Zusatzurlaub können Arbeitgeber und Arbeitnehmer nämlich weiterhin abweichende Vereinbarung treffen und den automatischen Verfall des vertraglichen Urlaubs bei Ablauf des Urlaubsjahres vorsehen. Da durch die Vertragsgestaltung der Umfang des Urlaubs, für den eine Übertragung in das nächste Urlaubsjahr in Betracht kommt, überschaubar gestaltet werden kann, ist die Anpassung der entsprechenden Klauseln in Arbeitsverträgen in der Regel lohnenswert.
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