MELDUNG

LG Lübeck bejaht einen 7 Jahren alten Anspruch eines Netzbetreibers auf Zahlung von Netzentgelten

In seinem Urteil vom 03.08.2020 (Az. 10 O 6/20) hat das LG Lübeck entschieden, dass die Zurückweisung einer Rechnung im Rahmen der Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität (GPKE) dem Eintritt der Fälligkeit entgegenstehe, weshalb ein derart geltend gemachter Anspruch nicht verjähren und daher auch Jahre später noch erfolgreich durchgesetzt werden könne.

Sachverhalt:

Die Klägerin, ein Netzbetreiber, schloss mit der Beklagten, einem Energielieferanten, im Jahr 2009 einen Lieferantenrahmenvertrag. Dieser regelte sowohl die Anwendbarkeit der GPKE als auch, dass Rechnungen und Abschläge frühestens 10 Werktage nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig werden.

Im Jahr 2011 übersandte die Klägerin mehrere Rechnungen an die Beklagte gemäß GPKE als sog. INVOIC-Nachrichten. Die Beklagte lehnte die Rechnungen mit einer sog. REMADV-Nachricht ab. Damit griff das in der GPKE geltende Alles-oder-Nichts-Prinzip (Ziffer 6 Nr. 4b GPKE a.F.), wonach eine INVOIC entweder vollumfänglich als richtig akzeptiert oder vollumfänglich abgelehnt wird. Erst in den Jahren 2015 und 2016 wiederholte die Klägerin den Vorgang. Die INVOIC-Nachrichten wurden wiederum von der Beklagten abgelehnt. Mit außergerichtlichen Schreiben vom 12.12.2018 wurde die Beklagte unter Fristsetzung erneut zur Zahlung aufgefordert. Da die Beklagte nach Zugang des außergerichtlichen Schreibens nicht zahlte, erhob die Klägerin Zahlungsklage. Die Beklagten erhob – wie bereits in der Vergangenheit – die Einrede der Verjährung und berief sich zudem auf eine Verwirkung des möglichen Zahlungsanspruchs.

Entscheidung:

Das LG Lübeck bejahte den Zahlungsanspruch des Netzbetreibers und verneinte das Vorliegen der Verjährungseinrede sowie eine Verwirkung der klägerischen Ansprüche.

Nach Auffassung des LG könne sich die Beklagte nicht wirksam auf die Einrede der Verjährung berufen, weil die über die GPKE geltend gemachten Ansprüche aufgrund der Zahlungsablehnung der Beklagten per negativer REMADV und der damit eintretenden Alles-oder-Nichts-Wirkung nicht fällig geworden sind.

Gemäß § 199 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Für die Entstehung des Anspruchs (und damit für den Lauf der Verjährungsfrist) ist aber der Eintritt der Fälligkeit erforderlich.

Das LG führt aus, dass „zwar die Fälligkeit eines Anspruchs“ durch die Erteilung einer Rechnung nach Maßgabe der GPKE zwischen den Parteien ausgelöst werde. Weder aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Lieferantenrahmenvertrag noch aus der GPKE ergebe sich aber, dass dies der einzig für die Parteien gangbarer Weg sei. Vielmehr „sei es den Parteien durchaus gestattet, ihre Ansprüche auch auf anderem Wege gegenüber dem Vertragspartner geltend zu machen“. Dies habe die Klägerin mit dem außergerichtlichen Schreiben aus Dezember 2018 getan. Erst diese Aufforderung habe zur Fälligkeit des Anspruchs geführt und so den Lauf der Verjährungsfrist ausgelöst. Daher sei der Zahlungsanspruch nicht verjährt.

Eine Verwirkung komme nicht in Betracht, da es zumindest am erforderlichen Umstandsmoment fehle. Die Klägerin habe nicht zum Ausdruck gebracht auf Ihre Rechte zu verzichten.

Rechtliche Bewertung:

Das rechtskräftige Urteil des LG ist zunächst eine gute Nachricht für alle Netzbetreiber, die noch Altforderungen gegen Energielieferanten haben. Das Urteil sollte zum Anlass genommen werden, offene Posten zu ermitteln und zu versuchen diese (ggf. gerichtlich) durchzusetzen. Das Urteil behandelt zwar die Stromsparte, dürfte aufgrund der Parallelität der Geschäftsprozesse zwischen der GPKE und der GeLi Gas (sog. Geschäftsprozesse Lieferantenwechsel Gas) auch auf den Gasbereich übertragbar sein.

Gleichwohl bestehen Bedenken an der rechtlichen Würdigung des LG, soweit es die Verjährungseinrede betrifft. Überraschend ist insbesondere das zentrale Argument, die Ablehnung im Wege einer negativen REMADV würde dem Fälligkeitseintritt der INVOIC-Nachrichten entgegenstehen. Gemäß Lieferantenrahmenvertrag ist das Zahlungsziel 10 Werktage nach Zugang der Rechnung. Nach Ablauf dieser 10 Werktage tritt somit Fälligkeit der Forderung ein. Die INVOIC gemäß GPKE stellt eine Rechnung im Sinne des Lieferantenrahmenvertrags dar. Zu der Anwendung der GPKE waren beide Parteien infolge des geschlossenen Lieferantenrahmenvertrags und des Beschlusses der Bundesnetzagentur (BK6-06-009) verpflichtet. Auch die GPKE sieht ein Zahlungsziel von 10 Werktagen vor. Die INVOIC ist der Beklagten auch zugegangen. An diesem tatsächlichen Umstand (Zugang) kann aber die Rechnungsablehnung allein nichts ändern. Warum dem so sein soll, dazu schweigt leider die Urteilsbegründung.

Letztlich bleibt es spannend, wie anderen Gerichte sich zu diesem Thema positionieren.

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