MELDUNG

Betriebsbedingte Kündigung – Personalabbau als Folge der Corona-bedingten wirtschaftlichen Auswirkungen

Es scheint so, dass die erste Welle der Corona-Pandemie in Deutschland überstanden ist. Die Wirtschaft wurde unter anderem durch Corona-Hilfen und durch Anpassungen beim Instrument der Kurzarbeit stark unterstützt. In Folge des Infektionsgeschehens und der immer weiteren Lockerungen scheint die Wirtschaft nun auch einen Moment durchatmen zu können.

Dennoch besteht vielfach die Erwartung, dass Deutschland eine Insolvenzwelle treffen wird, sobald die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht beendet wird. Aber auch ohne eine Insolvenz müssen viele Unternehmen ihre Personalplanung aus der Vorkrisenzeit überdenken und die personelle Ausstattung an die Corona-bedingten Auswirkungen anpassen – bei Auftragsrückgängen muss also vielfach das Personal reduziert werden. Erfolgt die Reduzierung des Personals einseitig durch eine Kündigung und ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, reichen die Corona-bedingten wirtschaftlichen Auswirkungen allein noch nicht zur Begründung der Kündigung aus. Vielmehr muss die Kündigung die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung erfüllen. Diese sind:

Dringendes betriebliches Erfordernis

§ 1 Absatz 2 KSchG hält fest, dass eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam ist, wenn sie nicht auf einem dringenden betrieblichen Erfordernis beruht.

Erste Voraussetzung für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung ist also, dass ein dringendes betriebliches Erfordernis besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber aufgrund von internen oder externen Umständen eine unternehmerische Entscheidung trifft, die das Entfallen von mindestens einem Arbeitsplatz zur Folge hat.

Als interne oder externe Umstände kann grundsätzlich vieles in Betracht kommen. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie haben aktuell wohl beispielsweise Produktionseinschränkungen, Umsatzrückgänge oder Auftragsrückgänge die größte Bedeutung. Die auf den Umständen beruhenden unternehmerische Entscheidung wird gerichtlich eingeschränkt dahingehend geprüft, dass sie tatsächlich getroffen wurde und dass sie nicht offensichtlich willkürlich oder unsachgemäß erfolgt ist.

Dauerhafter Wegfall des Arbeitsplatzes

§ 1 Absatz 2 KSchG setzt für die wirksame betriebsbedingte Kündigung weiter voraus, dass die dringenden betrieblichen Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung in dem Betrieb entgegenstehen. Aufgrund der unternehmerischen Entscheidung muss also mindestens ein Arbeitsplatz dauerhaft wegfallen; oder klarer ausgedrückt: Durch die unternehmerische Entscheidung muss rechnerisch ein Überhang an Arbeitskräften entstanden sein. Besteht der Personalüberhang jedoch nur vorübergehend, ist diese Voraussetzung der betriebsbedingten Kündigung nicht erfüllt.

Besondere Bedeutung erlangt an dieser Stelle der Umstand, dass die Einführung von Kurzarbeit in vielen Unternehmen die erste Reaktion auf die Corona-Pandemie war. Die Einführung der Kurzarbeit erfordert nämlich die Prognose, dass es sich bei dem Umsatz- oder Auftragseinbruch lediglich um ein vorübergehendes Ereignis handelt und der Personalüberhang daher auch nur vorübergehend besteht. Die Einschätzung, dass mit der Lockerung der Corona-bedingten Einschränkungen auch der Umsatz- bzw. Auftragseinbruch überwunden wird, herrschte zunächst vor und verändert sich nun nach und nach. Treffen Kurzarbeit und eine betriebsbedingte Kündigung zusammen, gilt im Ergebnis Folgendes:

Während der eingeführten Kurzarbeit kann eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden. Damit aber die Prognose eines dauerhaften Personalüberhangs gerechtfertigt ist, müssen in diesem Fall Umstände vorliegen, die über die Gründe hinausgehen, die die Kurzarbeit gerechtfertigt haben, oder es muss sich um geänderte Umstände handeln.

Mildere Mittel, v.a. anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit

Sind die beiden ersten Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung erfüllt, ist weiterhin erforderlich, dass dem Arbeitgeber kein milderes Mittel als die betriebsbedingte Kündigung zur Verfügung steht. Für die Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung wäre es also vor allem schädlich, wenn im Unternehmen des Arbeitgebers eine andere Möglichkeit zur Beschäftigung des Arbeitnehmers besteht. Bei der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit muss es sich um eine „gleichwertige“ oder eine „geringerwertige“ Tätigkeit handeln. Besteht die Beschäftigungsmöglichkeit im Rahmen einer „höherwertigen“ Tätigkeit, schadet dies der Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung nicht. Zur Vermeidung der Kündigung muss nämlich keine Beförderung erfolgen.

Sozialauswahl

Mit Ausnahme einer vollständigen Betriebsschließung muss der Arbeitgeber schließlich die Entscheidung treffen, welche Arbeitnehmer er aufgrund des rechnerischen Personalüberhangs kündigen möchte. Diese Entscheidung kann der Arbeitgeber nicht nach freiem Ermessen fällen. An dieser Stelle ist vielmehr der Grundsatz der Sozialauswahl zu berücksichtigen. Damit die Sozialauswahl den gesetzlichen Anforderungen entspricht, müssen folgende Schritte eingehalten werden:

Vergleichsgruppe

Zunächst ist eine Vergleichsgruppe zu bilden. Diese besteht aus den Arbeitnehmern, die auf den weggefallenen Arbeitsplätzen eingesetzt werden könnten und somit vom rechnerischen Personalüberhang betroffen sind. Teil der Vergleichsgruppe sind demnach zunächst alle Arbeitnehmer, bei denen der Arbeitgeber aufgrund seines Weisungsrechts einen Austausch herbeiführen kann und die eine ähnliche (nicht identische) Qualifikation besitzen.

Herausnahme von Leistungsträgern

Aus der Vergleichsgruppe kann der Arbeitgeber sog. Leistungsträger herausnehmen, die in der Sozialauswahl nicht weiter zu berücksichtigen sind. Dem Arbeitgeber steht diese Möglichkeit aber nur in engen Grenzen zu. Der Arbeitgeber kann also nur ganz vereinzelte Personen als Leistungsträger definieren und so von der Kündigungsentscheidung ausnehmen.

Auswahlentscheidung

Schließlich muss der Arbeitgeber zwischen den in der Vergleichsgruppe verbliebenen Arbeitnehmern eine Kündigungsentscheidung treffen, wobei er nach § 1 Absatz 3 KSchG verpflichtet ist, die Auswahlentscheidung anhand der Parameter Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung zu treffen. Zur Vorbereitung der Entscheidungsfindung kann der Arbeitgeber den einzelnen Parametern ein Punktesystem zuordnen, das aber nachvollziehbar bleiben muss.

Wünschen Sie eine rechtliche Beratung zu dem vorstehenden Thema oder zum Arbeitsrecht allgemein, so sprechen Sie uns gern an.

Ihre Ansprechpartner: